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"Venus talking"


25.09.2000   Am ersten Tag im Schneideraum ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich konnte mich an die ersten Szenen kaum noch erinnern, wußte aber, daß ich beim Sehen der Muster nicht so begeistert war wie später. Wider Erwarten funktionieren diese Szenen aber sehr gut. Karin Nowarra ist begeistert. Vor allem von Carsten Thieles Kameraarbeit. Ich freue mich schon auf die nächsten Tage, denn ich weiß, es wird noch viel besser. Wir haben ca. 7 min geschnitten.
26.09.2000   Die Euphorie des 1. Tages im Schneideraum ist wieder weg. Die ersten Nachtszenen auf dem Bauernhof sind mühsam wie das Waten durch einen Sumpf. Nichts geht einfach so. Die Szenen mit den Teens sind wunderbar. Die Erwachsenen haben es schwer dagegen. Vielleicht sollte ich mal einen Film nur mit Sechzehnjährigen machen?!
27.09.2000   Nach Schwierigkeiten am Anfang — an einer Szene saßen wir 4 oder 5 Stunden — wurde es heute wieder richtig gut. Schneiden ist ein bißchen wie Drehen: jeden Tag ist alles möglich, obwohl das Material da ist und nicht verändert werden kann. Wir haben wieder Tritt gefaßt. Der Film entwickelt sich bei jeder neuen Szene gleichzeitig in viele Richtungen. Vielleicht wird er ganz komplex und wunderbar. Wir haben jetzt 21 Minuten geschnitten.
28.09.2000  

Venus fährt in die Stadt. Obwohl wir den ganzen Tag nur noch sie sehen, ist das kein bißchen langweilig. Karin Nowarra ist wieder über die Bilder begeistert. Ich sage: Schöne Bilder machen keinen guten Film.
28 Minuten geschnitten.

29.09.2000   Heute ist der beste Tag im Schneideraum! Wir schneiden die Disco-Szene in Potsdam. Wer dabei war, wird's nicht glauben: das ist die bisher beste Szene des Films. Aber die Szenen im Maleratelier sind nicht viel schlechter. 38 Minuten geschnitten. Was wird das bloß für ein Film???
30.09.2000   Das Schneiden ist heute harte Arbeit. Jetzt sind ca. 50 Minuten geschnitten.
01.10.2000   Es gibt kein Leben mehr neben dem Schneiden. Unsrere beiden Schnittasssisten arbeiten im Schichtwechsel. Kim am Morgen, Kerstin am Nachmittag. Karin Nowarra und ich sind immer da. Täglich entdecken wir kleine Szenen, an die ich mich zwar noch erinnere, aber von denen ich nichts besonderes erwartet habe. Was mache ich bloß, wenn der Film fertig ist? Heute gabs im "Tagesspiegel" einen Artikel über die Dreharbeiten im Internet.
02.10.2000   61 Minuten geschnitten. Szene 80 haben wir heute abend um halb zehn nicht mehr geschafft. Das Schneiden mit Karin Nowarra geht täglich besser. Wir sind fast immer einer Meinung. Ohne langes Reden. Das macht Spaß. Ich bin überzeugt, daß der Schnitt nicht besser würde, wenn wir mehr Zeit hätten.
03.10.2000  

Ein wunderbarer Tag im Schneideraum!!! Der Film nähert sich mit großem Schwung dem Schluß zu. Alles kommt zusammen. Jetzt sind 71 Minuten geschnitten. Der Rohschnitt wird vielleicht bei 110 Minuten landen. Wir hatten eher an 90 Minuten gedacht. Karin Nowarra sagt: Bis jetzt hatten wir noch nicht eine Szene, die wir durch den Schnitt retten mußten. Ich entdecke zu meiner großen Überraschung, daß ich schon an ein neues Projekt denke: nichts Konkretes, sondern einfach aus dem Wunsch heraus: ich will weitermachen. Auf dem, was wir hier erreicht haben, aufbauen. Mit vielen (!!!) Leuten aus dem Team im nächsten Jahr weitermachen, denn wir sind ja eine Familie geworden.Das ist neu für mich. So wie diesmal ist es noch nie vorher gewesen. Ich habe Sehnsucht nach meinem Team.
Gleichzeitig schlechte Nachrichten: die Retrospektive in Paris wurde heute angesagt. Aber das berührt mich kaum. Warum soll ich an die Vergangenheit denken, wenn ich in die Zukunft schaue.

04.10.2000   Max und Venus treffen sich im Restaurant "Amore": eine der stärksten Szenen des Films. Wir haben jetzt 80 Minuten geschnitten.
05.10.2000   Wir schneiden bis zum Umfallen. Über schöne Bilder und gute Szenen reden wir schon lange nicht mehr. 89 Minuten.
06.10.2000   Heute ist nur 1/4 Schneidetag. Zum erstenmal hat Karin Nowarra Probleme. Eine Szene, die ich für eine der schönsten hielt, gefällt ihr gar nicht. Irgendwann mußte das ja mal kommen!? Morgen und übermorgen ist sie in Köln und ich bin auf dem Bauernhof. Das Drehklima ist noch immer da. Die Ruhe und der Frieden sind weg. Ob es hier jemals wieder so sein wird wie vorher? Am Montag schneiden wir weiter bis zum Schluß.
09.10.2000   Der Rohschnitt ist fertig: 105 Minuten und 45 Sekunden. Die erste Vorführung ergibt viel Schönes, aber es gibt noch viel zu tun.
10.10.2000   Akt 1 und 2 sind fertig im Feinschnitt. Nur wenige Änderungen sind nötig.
11.10.2000   Akt 3 und 41/2 fertig im Feinschnitt. Wir arbeiten hart an 2 Schneidetischen. Alles passiert gleichzeitig: Feinschnitt, Tonbearbeitung, Musik, Titel und seit heute auch die Arbeit an den inneren Monologen. Wenn ich bloß jetzt schon wüßte, was für ein Film das wird! Am Abend machen wir eine Vorführung am Schneidetisch für Inka Bach, eine Romanautorin.
12.10.2000   Feinschnitt fertig. Länge: 97 Minuten.
13.10.2000   Habe den ganzen Film heute mit einer Viedokamera vom Schneidetisch abgefilmt. War allein mit ihm und habe ihn sehr gemocht.
14.10.2000   Musik anlegen und Innere Monologe. Habe heute das Gefühl, der Film wird wunderbar. Die heutige Länge: 94 Minuten. Aber der Film wird noch etwas kürzer. Die alternativen Titel "Venus Online" und "Venus im Gehäus" (nach einem Dürer-Gemälde) sind durchgefallen. Es bleibt bei "Venus Talking". Heute entscheidet die Filmförderungsanstalt über den deutschen Verleih von "Paradiso".
25.10.2000   Die Filmförderungsanstalt hat NEIN gesagt zu "Paradiso". Vielleicht sollte ich aufhören, Filme zu machen.
26.10.2000   Aufnahme der neuen "Inneren Monologe" von Inka Bach mit Sabine Bach. Wir sind sehr zufrieden. Die Anfangs- und Schlußtitel sind auch fertig. Morgen beginnt der Negativschnitt der ersten beiden Akte.
27.10.2000   Trouble in paradise: Ein paar gute letzte Schnitte. Aber gewaltige Zeitprobleme bis zur Mischung. Daher viel Stress im Schneideraum. Karin Nowarra hat die Nacht durchgemacht. Bin ich ein schlechter Produzent?
06.11.2000   1. Tag Mischung: Wir lommen unendlich langsam voran. Eineinhalb Akte. Ich bin wie elektisiert. Als ginge es immer noch um alles.
07.11.2000   2. Tag Mischung: zwei Akte gemischt. Der 4. Akt kam mit dem Taxi aus dem Schneideraum. Ich habe eine halbe Stunde vor dem Studio gewartet und gehofft, daß das Taxi endlich ankommt. "Venus Talking" hat eine verdammt schwere Geburt.
08.11.2000   3. Tag Miachung: Der Film ist fertig. FERTIG! FERTIG! Ich bin auch fertig. Ich fange wieder an, mit anderen Menschen zu telefonieren.
09.11.2000   Der Negativschnitt ist fertig: 629 Schnitte. So viele wie noch nie bei mir. Die endgültige Länge ist 94 Minuten und 26 Sekunden.
13.11.2000   Lichtbestimmung
20.11.2000   Nullkopie-Abnahme. Super 35 mit separatem Ton. Ich bin ganz allein mit meinem Film und glaube, daß er mir gefällt.
11.12.2000   Nullkopie!!! in CinemaScope!!! Jetzt gehört der Film dem Publikum.
15.12.2000  

Morgen um 11.30 Uhr ist die erste Vorführung im Kino International, Berlin Karl-Marx-Allee 33 (gleich beim Alexanderplatz). Ich bin extrem nervös. Wer auch immer, das jetzt hier liest, ist herzlich eingeladen. Ich erwarte ca. 200 - 300 Zuschauer. Das Kino hat 540 Plätze. Ich werde morgen nocheinmal von der Vorführung berichtren. Dann wird diese Seite beendet. Und es beginnt etwas Neues. (Oder auch nicht — vielleicht höre ich wirklich auf, Filme zu machen.)

16.12.2000  

Etwa 400 Leute waren da. Ich war skeptisch, aber die Zuschauer haben mir gezeigt, daß der Film ihnen gefallen hat. Viele waren begeistert von den Schauspielern und von der Kameraarbeit. Manche denken, Sabine Bach (=Venus) könnte nächstes Jahr dafür den Bundesfilmpreis bekommen. Wir werden sehen, was passiert. Ich habe keine Erwartungen. Ich werde dafür sorgen, daß PARADISO und VENUS nächstes Jahr in Deutschland ins Kino kommen. PARADISO im März, VENUS im September. Wenn ich das selbst machen muß, wird es nächtstes Jahr keinen neuen Film von mir geben.

Au Revoir.

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