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15 November

01.11.15  

Die Sonne scheint heute genau so wie gestern. Ich warte auf einen Skype-Anruf meiner ägyptischen Freundin. Und sehe, dass meine Tochter Joya mit ihrem iPhone online ist. Ich rufe sie an, aber sie antwortet nicht. Ein paar Minuten später ruft sie zurück.

Sie übernachtet heute Nacht in einem Hostel in Arizona, weil es draußen schon sehr kalt geworden ist. Bisher haben sie immer im Zelt geschlafen. Es ist toll, mit ihr zu sprechen. Ein schöner Monatsanfang.

Autobiographie Notizen: Am 11. Juli war die Vorführung von "TAROT" beim Moskau-Filmfestival. In meiner Erinnerung passierte alles (Vorführung, Empfänge, Partys, Restaurants) irgendwie im Hotel Rossiya. Da gab es auch eine größere Party mit viel Wodka. Mit Anna habe ich relativ viel getanzt. Vielleicht Rock 'n Roll. Auf jeden Fall tauchte da Bernd Eichinger (†) auf, und meinte, diese Frau sei viel zu schön für mich. Ich weiß nicht, ob Anna über seine Bedeutung in der Filmbranche Bescheid wusste. Wahrscheinlich hat er sie zum Tanzen aufgefordert und sie war so lieb und hat nicht nein gesagt. Sollte es so gewesen sein, wüsste ich gerne, was er ihr ins Ohr geflüstert hat. Jedenfalls hatte er gerade den Film "Der Name der Rose" produziert, und er war unglücklich, dass sein Film nicht im Wettbewerb war (später wurde daraus fast noch ein Drama, in das auch ich dann verwickelt wurde). Außerdem lernten Anna und ich den jungen Kulturattaché der deutschen Botschaft Dr. Weil kennen und durch ihn den Maler Nicolai Filatov. Am nächsten Tag waren wir mit beiden in der "Eremitage", damals die erste Ausstellung abstrakt malender Künstler in Moskau. Viele Bilder waren noch nicht gehängt, sondern standen auf dem Boden. Ein Bild ist mir besonders aufgefallen, und ich bin zweimal hingegangen. Nicolai Filatow sagte mir später, der Künstler, er kam aus Georgien, habe mich beobachtet und wolle, weil mir sein Bild gefiel, dieses schenken. Das Bild hängt noch immer über meinem Arbeitstisch in Berlin. Anna wollte es haben, Gudrun Max, die Frau von Karlheinz Oplustil, wollte es kaufen. Es gehört einfach zu mir, so lange ich lebe. Ich habe auf Rat von Nicolai Filatov dem Maler 200 DM bezahlt. Es hat noch immer einen Rahmen aus dem Holz von Apfelsinenkisten, weil es in Georgien nichts Besseres gab. Den Namen des Malers habe ich mir leider nicht aufgeschrieben. Ich dachte, in meinem Terminkalender hätte ich ihn notiert. Am 13. Juli gab es mittags eine Führung durch den Kreml und am Abend einen Empfang in der Deutschen Botschaft. Am nächsten Tag dort ein Mittagessen. Ob da auch Bernd Eichinger war, habe ich vergessen. Am 15. Juli gab es noch eine Stadtrundfahrt und am 17. Juli war die Preisverleihung. Hannah Schygulla, die ich für "TAROT" gecastet hatte, saß in der Jury und ich hatte einen Hauch von Hoffnung, aber leider keine Karten dafür bekommen. Ich habe dann versucht, Karten zu bekommen und bin ins oberste Stockwerk zum Präsidenten des Festivals gefahren und habe mich beschwert. Ich sei doch einer der 18 Wettbewerbssteilnehmer und bekäme vielleicht am Abend sogar einen Preis. Ich sei bereit, mit Gewalt in den Saal zu kommen und das wäre dann ein Skandal. Der Festivalpräsident war hilflos und hat gesagt, dass er da nichts machen kann. Im Lift treffe ich einen Mann und erzähle ihm meine Geschichte. Ich frage ihn, was er macht. Er sagt, er sei verantwortlich für die VIP's. Ich sage, dann sind Sie ja der richtige Mann, mit dem ich sprechen muss. Eine Stunde später hatte ich die Karten für die Preisverleihung für mich und Anna. Einen Preis habe ich nicht bekommen. Später habe ich erfahren, dass Federico Fellini ihn bekommen hat und mit einer Militärmaschine dafür von Rom nach Moskau transportiert worden ist. Am 18 Juli sind Anna und ich nach Berlin zurückgeflogen.
Am 25. Juli war ich mit Anna beim Geburtstag von Mareike Carrière (†), damals die Frau von Jochen Viettinghoff. Dazu fällt mir ein, dass er Jochen Brunow und mir, als unser gemeinsames Filmprojekt "Das Bild" gestorben war, jeweils einen Kasten Champagner hat zukommen lassen. Ich dachte, das ist Stil. Mit ihm hätte es weiter gehen müssen. In meiner Erinnerung waren wir drei auch mal bei einer Redakteurin des Bayrischen Fernsehens, weil er eine TV-Coproduktion suchte, aber auch daraus ist nichts geworden. Dazu habe ich leider keine Einträge, weil er vermutlich die Flüge gebucht hat.
Am 28. Juli bin ich nach Amsterdam geflogen, um dort Thom Hoffmann zu treffen. Cynthia Beatt hatte ihn mir empfohlen. Wir haben uns in der Bar des Hotel Americaine um 22 Uhr getroffen. Er war nicht der richtige Mann für "DAS MIKROSKOP". Am 30./31. war ich wieder in München, habe im Hotel Residence (wo ich "ROTE SONNE" gedreht habe) gewohnt und Anina Diener getroffen, die dann bei dem Film für das Kostüm verantwortlich war und auch bei "DIE SONNENGÖTTIN" dann Kostüm und Ausstattung verantwortlich war. Am 1. August war ich wieder in Berlin und habe am Morgen Adriana Altaras in ihrer Wohnung besucht und ihr gesagt, sie müsse das Drehbuch (es waren ja nur vielleicht 20 Seiten) vor meinen Augen lesen. Sie hat es gemacht, auch mal gelächelt, aber während sie es las, kam die Sonne raus und fiel auf sie und das Drehbuch. Ich musste danach nicht mehr nachdenken. Sie auch nicht. Aus heutiger Sicht: Wer hat da die Wolken und die Sonne so in Berlin gelenkt? War das Ma in Florida?

02.11.15   Nachtrag zu den Autobiographie Notizen: Anna bestätigt mir meine Vermutung im Hinblick auf Bernd Eichinger: "ich wusste wohl wer er war. Und was er mir ins Ohr geflüstert hat? Folgendes: ob ich mir denn sicher sei mit Dir und es mir nicht noch mal überlegen wollte, denn er wäre sich sicher, dass er selbst der absolut Richtige für mich wäre - und ich für ihn.
Ich hab Dir das nicht gesagt, weil Du schon recht eifersüchtig geschaut hast und ich wollte keine Prügelei oder so.
Und was ich ihm geantwortet habe?  Ich hab ihn an- und auch ein bißchen ausgelacht, denn ich wahr unheimlich gut gelaunt und glücklich und hab ihm gesagt ich hätte meine Wahl schon getroffen und sei mir sicher, dass  Du der  absolut Richtige für mich bist!"

Ich gönne mir heute was Gutes. Habe die Nase voll von Fertigessen und Tiefgefrorenem. Schade, dass meine Kinder nicht da sind.
Zurück zu den Autobiographie Notizen: am 2. August abends Kostümprobe am Kleiderschrank von Adriana. Sie kommt von einem Urlaub in der Türkei. Sie ist von oben bis unten knackig braun, und zeigt das mir auch ohne scheu beim An- und Ausziehen. Am 2 . August treffe ich Vladimir Weigl in seiner Wohnung in der Knesebeckstraße 16, die mir extrem gut gefällt und die er mir später gegen einen Abstand von 30.000 Mark überlassen wird. Auch er muss das Drehbuch lesen, während ich bei ihm bin. Am 4. 8. treffe ich Malgoscha Gebel, die mir Michael Klier empfohlen hat. Davor sehe ich noch Klaus Pohl auf Empfehlung von Cynthia Beatt. Am 6. 9. findet auf dem Tempelhofer Flugplatz ein japanisches Feuerwerk. Wir filmen es vom Dach meines Hauses in der Fidicinstraße.
Außerdem ruft mich Gaby Rohrer an, die Geschäftsführerin bei der Export-Union des Deutschen Films ist. Es ist ein Hilferuf. Bernd Eichinger versuche zu erreichen, dass sie gefeuert wird. Sie bittet mich, mit meinen Kollegen zu sprechen. Das tue ich und telefoniere mit Wim Wenders und Werner Herzog und am 11. 9. auch noch mit Alexander Kluge. Der sagt mir, "Gaby Rohrer solle nichts Dummes tun. Die Arbeitsgemeinschaft Neuer Deutscher Spielfilmproduzenten gehe mit ihr durch dick und dünn". Bernd Eichinger hat den Kampf verloren. Gaby Rohrer hat ihre Stelle behalten.
Am 7. September ist Drehbeginn von "DAS MIKROSKOP". Jochen Brunow ist Produktionsleiter. Mit seiner Assistentin Iwona Wroblewska wird er gar nicht warm. Ich habe immerhin Martin Schäfer und ihn. Vladimir habe ich als Regieanweisung gesagt, du musst alles mit tödlichem Ernst spielen, nur dann wird es komisch. Das hat er getan. Am 4. Oktober sind die Dreharbeiten beendet. Es war trotz Miniteam und mit meiner Wohnung in der Fidicinstraße als Hauptdrehort ein an Schwierigkeiten nicht armer Film. Die größte Schwierigkeit war, dass Malgoscha Gebel nach der Hälfte ihrer 10 Drehtage bei sich zuhause von der Treppe gestürzt ist und nicht mehr weiter drehen konnte. Jochen und ich haben sie besucht und uns davon überzeugt, dass sie tatsächlich nicht weiterdrehen kann. Ich habe dann gesagt, dann ändern wir eben einfach die Geschichte. Adriana hat nicht daran geglaubt, dass das funktioniert. Statt Malgoscha kommt sie dann zu einer Einladung (es gibt Fisch!) am Abend zu Vladimir. Die Szene, in der sie beide den Fisch essen, umgeben von Vladimirs Aquarien, war dann so schlecht, dass nach einer Weile auch noch alle möglichen technischen Probleme auftauchten, denn der Glaube an den Film und damit die Konzentration waren weg. Ich spüre das und schreie zum ersten und einzigen Mal mein Team an: wir werden hier so lange weitermachen, bis es gut wird. Und wenn das bis morgen früh dauert. Das hat ein Wunder bewirkt. Die nächste Aufnahme der Szene war toll.
Am 17. Oktober treffe ich mich mit Botho Strauß im Restaurant "Mario". Jochen Brunow hat ein Drehbuch zu seinem Stück "Die Fremdenführerin" geschrieben, und ich soll Regie machen. Woran ich mich erinnere, ich habe ihm gesagt, wieviele Leute meine Filme sehen und er hat mir gesagt, wieviel Leser seine Bücher finden.
Am 1. November ist die Wohnungsübergabe der Wohnung in der Knesebeckstr. 16. Vladimir Weigl hat in dem Film gedreht und danach dann blitzschnell gehandelt.
Am 12. November war die Abnahme der Nullkopie mit Martin Schäfer bei Geyer. Ich war aufgeregt und hatte soviel Angst davor, dass in meinem Gesicht drei Riesenherpes aufgetaucht waren. Ich sah aus wie "The Elephant Man". Auch Anna war so besorgt, dass sie den Notarzt angerufen hat (?). Nach der Vorführung sagte Herr Raps, der Kopierwerksleiter, dass bei Doris Dörries "Männer" erst nach der 80 Serienkopie vom Verleih bemerkt wurde, dass kein Dup-Negativ existiert. Ich nahm es als eine Einschätzung auf den möglichen kommerziellen Erfolg und meine Aufschwellungen im Gesicht waren am Abend wieder weg.
Am nächsten Tag war ich mit der Filmkopie in München und habe im Studio Isabella den Film für die Leute vom Concorde-Filmverleih (François Duplat, Alfred Schantz. Anke Zindler) und auch Gaby Rohrer gezeigt. Am Abend bin ich zurückgeflogen und am 14. November, meinem Geburtstag lief er um 11 Uhr in der Lupe 2. Ich weiß nicht mehr, wieviel Leute da waren, vielleicht 40, vielleicht 80. In dieser Vorführung haben die Leute während des Films bestimmt zwanzigmal laut gelacht. Danach war ich mir sicher, dass der Film tatsächlich ein Publikumserfolg werden könnte. Am 17. 11. ruft François Duplat an und sagt, dass er den Film auf jeden Fall verleihen will. Auf so einen Hauptdarsteller habe er schon jahrelang gewartet.
Am 19. November habe ich mir im Klinikum Westend Blut abnehmen lassen, bin sofort danach nach Frankfurt geflogen, habe meine Blutprobe dem Kapitän einer Panam-Maschine nach Chicago in die Hand gedrückt, damit sie dort von einem Krankenhausvertreter in Iowa in Empfang genommen werden kann. Die Leukämie meines Sohnes Maximilian ist zurückgekommen, und der Arzt in Iowa wollte mein Blut auf eine eventuelle Kompatibilät untersuchen. Am 23. November habe ich mit dem Arzt in Iowa telefoniert. Der Transport hat geklappt.
Am 24. November bin ich mit Anna zum zweiten Mal nach Moskau geflogen. Die Deutsche Botschaft zeigte eine Retrospektive aller meiner Filme bis einschließlich "DAS MIKROSKOP" als öffentliche Welturaufführung. Allein die Rekonstruktion aller Ereignisse erschöpft mich total. Vielleicht sollte ich, um meine im Moment angeschlagene Gesundheit zu schonen, damit zumindest bis zu meiner Reise nach Kyoto aufhören.
03.11.15  


Solche Spiegelungsbilder im Dorfteich gibt es nur im Spätherbst.

Hier drin ist die DVD von "Hill of Freedom" von Hong Sang-soo. Der grüne Aufkleber sagt "Von zollamtlicher Behandlung befreit. Deutsche Post". Für das Draufkleben hat die Post im Flughafen Frankfurt drei Wochen gebraucht.
Ich hab es nicht ausgehalten. Ich musste den Film sofort sehen. Und war wie immer nach kurzer Zeit vezaubert. Irgendwie passt der Film auch zu meiner Japanreise, denn der Hauptdarsteller ist Japaner.

Der Kastanienbaum ist heute kahl. Eine Nacht mit minus 3 Grad hat das bewirkt.

So sah er noch vor 3 Tagen aus.

Damit die Miniermotten im nächsten Jahr ihm nicht die Blätter zerfressen, habe ich ca. 95 Prozent des heruntergefallenen Laubs aufgesammelt.

Die Krokusse, die ich für Frühjahrsblüher gehalten habe, die aber Herbstblüher waren und von mir viel zu spät in die Erde gesteckt wurden, sind trotzdem angegangen.
zu den Autobiographie Notizen: Die 2. Moskau-Reise war sehr unterhaltsam. Statt im Hotel Rossiya wohnten wir in der Residenz des deutschen Botschafters Meyer-Landgut. Ich erinnere mich an ein Abendessen mit ihm und seiner ungewöhnlich lustigen Frau, einer Ungarin. Während wir uns beim Essen unterhielten, übte in einem Nebenraum Justus Frantz für ein Klavierkonzert in Moskau. Die Vorführungen meiner Filme ohne Untertitel waren mittelmäßig besucht. Anna sah da zum erstenmal "DETEKTIVE" und hat sich gewundert, dass ich einmal "sowas" gemacht habe. Als am Ende "DAS MIKROSKOP" vorgeführt wurde, war der Saal voll. Sogar Alexandr Askoldov, Regisseur von "Die Kommissarin" - ein Film, der 20 Jahre verboten war und gerade im Rahmen der Perestroika wieder ins Kino kam - war gekommen, wie mir Dr. Weil erzählt hat. Mit ihm waren wir auch in in einer russischen Kirche voller bisher verfemter Bilder, darunter auch "Das schwarze Quadrat" von Malewitsch. Jedes Bild wurde von einem älteren Mann liebevoll mit einer Großformatkamera für die Ewigkeit festgehalten. Der stellvetretende Botschafter Alexander Arnot hat mich und Anna zu einem privaten Roulette-Abend in seiner Wohnung eingeladen. Ich war dafür mit Anzug und Krawatte gekommen, aber Herr Arnot meinte, das sei unpassend. Ich müsse eine Fliege tragen. Er hat mir dann mit einer von seinen Fliegen ausgeholfen. Nicht so eine Fertigfliege, die man einfach in den obersten Hemdknopf reinstecken kann, sondern eine, die man binden muss. Er hat das dann für mich gemacht. Ob Anna und ich beim Roulette Geld gewonnen haben, weiß ich nicht, denn darum ging es auch nicht bei dieser Veranstaltung.
Nicolai Filatow hat übrigens für "DAS MIKROSOP" ein Plakat entworfen:

Am 30. 11. sind wir zurück nach Berlin geflogen.
Vom 8. - 11. Dezember bin ich in Warschau. Ohne Anna. Welcher Film von mir da gezeigt wurde, weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich "TAROT". Am 15. Dezember bin ich nach Florida zu Ma geflogen. Mit Anna (und Nicolai im Bauch). Am 9. Januar 1988 sind wir zurückgekommen. Wir hatten in Florida gemeinsam ein Stück Bauland für 8.000 Dollar gekauft. Ich habe dort auf meinem ersten eigenen Stück Land das Drehbuch zu "DER PHILOSOPH" auf einer Olivetti Lettera geschrieben, immer wieder, wenn mir nichts einfallen wollte ein kleines Feuer gemacht. Anna saß im Haus eines Freundes und hat ein Buch über die "Feldenkrais-Methode" geschrieben. Nach ein paar Tagen hatte ich noch immer keine Idee, was ich schreiben könnte und habe das Ma gesagt. Sie gab mir Asche, die ich essen sollte und empfahl mir jeden Tag vor dem Schreiben in den Hanuman-Tempel zu gehen. Und: du denkst zwar ich bin verrückt mit dieser Empfehlung, aber tu einfach, was ich sage und denke nicht darüber nach. Als das Drehbuch fertig war, hat sie gesagt: I will spread this film all over the world.
Beim Überfliegen meines Terminkalenders für das Jahr 1988 sehe ich, dass in diesem Jahr noch aufregendere Dinge als in 1987 passiert sind. Vielleicht bringt mich der Zen-Garten von Ryoan-ji, von dem mir Jochen Brunow in einer email gerade erzählt hat und von dem ich noch nie etwas gehört hatte, zur Ruhe. Ein bisschen Ruhe hatte ich heute schon. Zuerst beim Film von Hong Sang-soo und dann beim Zusammenkehren des Laubs unter Nicolais Kastanienbaum.
Übrigens: Erst vor 4 Tagen bekam ich eine email von einem Joseph Henriksen aus Oslo, der von mir wissen wollte, wie ich "DER PHILOSOPH" gemacht habe und wie ich auf die Idee dazu gekommen bin, weil er den Film über alles liebe. Vor allem die Konstellation von einem Mann mit drei Frauen.

Das Leben geht immer weiter. Serpil Turhan hat beim Schneiden ihres Films über mich in einem Speicher ein Schaukelpferd entdeckt und möchte, dass ich es ihr nach Berlin für ihre Tochter Evin mitbringe. Zuerst habe ich nichts Schaukelpferdartiges entdeckt. Die Augen einer Mutter sind eben fokussiert, so wie meine Augen beim Steinpilzesuchen.. Ich habe sie dann angerufen und gesagt, schicke mir einen Screenshot.

Den Kinderstuhl links hat sie schon vor einem halben Jahr bekommen. Im Holzgewühl rechts kann ich nicht wirklich ein Schaukelpferd identifizieren. Aber klar war eins da.

Den Staub und Dreck musste ich in meiner Badewanne wegduschen weil das Wasser im Innenhof schon abgestellt ist.
Serpil weiß, es ist eine Leihgabe. Wenn meine Kinder anfangen sollten, Kinder zu kriegen, muss Serpil diese Sachen zurückgeben. Ich frage mich allerdings, mit welchen Augen Serpil den Film über mich schneidet und kann nur hoffen, dass sie eine supergute Cutterin hat. Sie hat mir in Aussicht gestellt, dass ich die Cutterin am Freitag in Berlin kennenlerne.

04.11.15  
Mein ca. 25 Jahre alter Weihnachtskaktus entfaltet seine volle Blütenpracht. Wenn ich aus Kyoto zurückkomme, sind sie wahrscheinlich alle abgefallen. Diese Reise macht mich unglaublich nervös.

Mein Auto kriegt Winterreifen. Damit fahre ich nach Berlin. Das ist die erste Etappe meiner Japanreise.

Ich brauche eine Viertelstunde, um diesen Fernseher für DVB-T einzurichten. Er war das Weihnachtsgeschenk für meine ägyptische Freundin im letzten Jahr. Auf dem Bauernhof habe ich über eine Stunde gebraucht, um ihn für den Empfang über Satellit einzurichten. Ich lerne offensichtlich im hohen Alter immer noch dazu. Wir wollen Weihnachten 2015 zum ersten Mal in ihrer im Sommer übefluteten Wohnung im Wedding verbringen, die bis dahin hoffentlich wieder hergerichtet ist.
06.11.15  

Vor vier Wochen war meine Wohnung voller Obstfliegen. Wasser, ein paar Tropfen Spülmittel und Obstessig wurde für sie zur tödlichen Falle.



Am Bahnhof Zoo weiß ich, dass ich immer einen Parkplatz finde. Die ganze Gegend da ist eine Baustelle. Da kaufe ich japaniche Yen. Für alle Fälle.

Der größte japanische Geldschein ist 10.000 Yen (= 75 Euro). Der kleinste Geldschein ist 1.000 Yen. Da ich 12 Tage in Kyoto bin, muss ich mit damit vertraut machen, denn in St. Petersburg hatte ich von russischen Rubelscheinen keine Ahnung.

Auf der Straße, wo ich sonst immer parke, musste ich gestern dreimal um den Block fahren, um einen Parkplatz zu finden. Diesen Hinweis habe ich heute entdeckt und danach einen nicht abschleppgefährdeten Parkplatz entdeckt.

UFA-Fiction hat meine Straße in Besitz genommen. Heute Nacht habe ich von Dreharbeiten geträumt. Irgendwo im Ausland, vielleich Polen. Es gab ein großes, leerstehendes Haus. Und wir waren ein winziges Filmteam. Alles war sehr schwierig.
Ich will keine Filme mehr machen und auch nicht mehr von Dreharbeiten träumen.

Serpil Turhan kammt mit ihrer Produzentin Barbara. Sie will unbedingt im Wohnzimmer auf dem blauen Sofa sitzen. Da wo wir immer unsere Castinggespräche gemacht haben.

Wir besprechen ausführlich Serpils Film und dessen Zukunft, wenn er fertig ist. Ich erzähle Barbara, dass das erste Mädchen, das mir als "Mädchen" nach dem Tod meiner Mutter aufgefallen ist, auch Barbara hieß und einen rotblaugestreiften Pullover trug, und dass Hannelore Elsner in "ROT UND BLAU" diese Geschichte in abgewandelter Form erzählt.
Barbara macht sich Sorgen um die Musik in "SUPERGIRL". Ich suche und finde dann schließlich in all den Ordnern in meinem Arbeitszimmer meine GEMA-Meldung von 1970 und mache eine Fotokopie für sie. Ich bin ein bisschen stolz, dass mein Arbeitszimmer noch immer ein funktionierendes Produktionsbüro ist. Alles darin ist auf Stand-by. Beim Gespräch mit den beiden merke ich, dass es eigentlich schade ist, dass ich keine Filme mehr mache. Ich sage den beiden, dass sie Ausschnittrechte für den Film von mir umsonst bekommen. Serpil hatte ich das schon im letzten Jahr gesagt, Barbara wusste es nicht und freut sich darüber. Serpil fragt mich, ob ich den fertigen Film vor der ersten öffentlichen Vorführung sehen will. Ich sage nein. Ich habe ihr beim Drehen total vertraut. Warum sollte ich ihr da beim fertigen Film aufhören zu vertrauen.
Während wir miteinander sprechen, holt Serpils Vater den Kinderschaukelstuhl für ihre Tochter Evin ab und liefert mir mein Weinhändler vier Kartons Rotwein ins Haus. Jetzt kann ich beruhigt nach Kyoto fliegen.

07.11.15  


Beim Brötchen holen und den neuen Spiegel kaufen.

Schon wieder muss ich Hemden bügeln. Diesmal für Kyoto. Leider habe ich vom Bauernhof das falsche Bügeleisen mitgenommen. Mit meinem Braun-Bügeleisen, das ich vor bestimmt zehn Jahren gekauft habe, geht das Hemdenbügeln sehr viel leichter.
Beim Publikumsgespräch zu "MADE IN GERMANY UND USA" hat mich ein Zuschauer gefragt, ob ich von Jacques Rivette beeinflusst worden bin. Ich habe nein gesagt, und Sekunden später fiel mir ein, dass ich vorher im Arsenal-Kino "Out One" gesehen hatte und in der Tat beim Drehen an den Rivette-Film gedacht hatte. Auch beim Drehbuchschreiben von "DER PHILOSOPH" in Florida habe ich an diesen Film gedacht. Ich wollte mehrere Personen in ihrem Alltag zeigen und sie dann auf geheimnisvolle Weise zusammenbringen. Heute Morgen finde ich in meiner Twitter-Timeline eine Kritik zu diesem Film (LINK) im New Yorker, denn der läuft jetzt in voller 13 Stunden-Länge in New York. Der Text ist ziemlich lang. Folgende Sätze fand ich in Bezug auf meine Filme wichtig: "Even if it weren’t common knowledge that the dialogue and the action were improvised, limited solely by the main points that the actors had to bring out in each scene, the freedom of movement and the gradual evolution of the dialogue would appear not scripted and not dictated but invented, discovered by the actors, whom the camera operator, Pierre-William Glenn, was obligated to follow.
In most scenes of physical action, the actors lead, and the camera, dependent on their choices, follows."
Vor allem, um das Prinzip, das im letzten Satz beschrieben wird, musste ich bei "DER PHILOSOPH" immer wieder mit Reinhold Vorschneider, der nach dem Tod von Martin Schäfer Kameramann wurde, kämpfen.

08.11.15   Knausgård hat der Literaturpreis der Welt gekriegt. Hier ist seine Rede zur Preisverleihung (LINK).
Mir ist eingefallen, dass ich noch deutsches Geld brauche. Der Vorraum zu den Geldautomaten ist etwas lädiert.

Gleich nebendran ist der Mehringhof. Da habe ich in einem mit Eierkartons beklebten Raum die Musik zu "DAS MIKROSKOP" aufgenommen.
Am frühen Nachmittag gibt mir Anna eine Feldenkraisstunde. Ein Wehwehchen verschwindet ruckzuck, das andere leider nicht. Dafür muss ich erstmal nach Kyoto fliegen. Wenn ich da bin, wird, so vermute ich, auch das verschwinden. Ich fliege am Montag um 14 Uhr in Paris ab und komme am Dienstgmorgen um 10 Uhr (Tokio-Zeit) an. Hier ist es dann 2 Uhr morgens. Es wird eine Reise in die Nacht. Wie soll ich da mit meinen sechsundsiebzig Jahren nicht nervös werden. Soeben habe ich bei SeatGuru für Hin- und Rückflug meinen Sitzplatz gecheckt. Ich sitze Gott sei Dank bei beiden Flügen in der Mittelreihe außen und nicht links und rechts eingezwängt. Danke Professor Kakagi.

Gepackt
10.11.15   Ich bin tatsächlich gut in Kyoto angekommen, muss aber erstmal eine Runde schlafen, obwohl hier schon Nachmittag ist.
Zwei Stunden später: Der Flug von Berlin nach Paris war Scheiße. Ich saß in der Mitte eingeklemmt, und die Herren links und rechts waren ziemlich unangenehm. In Paris hatte ich Gott sei Dank 2 Stunden Umsteigezeit. Die habe ich auch fast gebraucht, um von einem Terminal zum nächsten zu kommen (geradeaus Gehen, Treppe runter, Treppe rauf und am Ende auch noch mit einem Bus zum eigentlichen Abflugterminal).
Der erste Teil des Gehwegs…

…und hier der zweite Teil.

Dann schon wieder Stau, weil es nur mit Bussen weitergeht und die sind schnell voll.

Vor dem Abfluggate wie überall eine riesige Mall.

Mein Flieger fliegt über St. Petersburg, wo ich vor einem Monat war…

…und Stunden später ganz nah an Novosibirsk vorbei, wo in der nächsten Woche "BERLIN CHAMISSOPLATZ" gezeigt wird.

Der Flug ist eigentlich angenehm. Auch weil neben mir ein junges japanisches Mädchen sitzt, die mir ein großes Lächeln schenkt, als ich bei der Wahl zwischen europäischem und japanischen Essen das Japanische wähle. Sie spielt die meiste Zeit Computerspiele. Ihr Vater sitzt neben ihr und sieht Filme. Beim Rausgehen merke ich an der Art wie sie gehen, dass der Vater nicht ihr Vater, sondern ihr Ehemann ist. Schon vorher war mir allerdings aufgefallen, dass sie am Ehefinger einen Ehering trug. Mir hat sie jedenfalls den Zwölfstundenflug versüßt.

Mein Hotel für die nächsten 12 Tage. Das Palace Side Garden Hotel. Wie immer mache ich einen Gang rund um den Block. Der Park um den kaiserlichen Palast ist riesig. Ich werfe nur kurz einen Blick hinein.

Eine kleine Gingkobaumallee.

11.11.15   Während ich in Kyoto bin, schicken mir Joya und Philipp Bilder aus Kalifornien. Heute fliegen sie nach Mexiko. Wir sind jetzt durch 21 Stunden Zeitunterschied getrennt.



Am Morgen mache ich einen Zweistunden-Spaziergang durch den Park des kaiserlichen Palasts. Es ist für mich fast wie ein LSD-Trip.

Hinter dem Baum erstreckt sich der Palast.









An manchen Stellen gibt es kurzgeschnittene Hecken. Nur an wenigen Stellen blühen sie noch. Als Zimmerpflanze kriegt man sie auch in Deutschland. Bei mir ist sie jedesmal relativ schnell gestorben.

Kinder sammeln heruntergefallene Gingkoblätter. Warum weiß ich nicht. Ich werde heute Abend Professor Takagi fragen.

Zum Abendessen bin ich mit Professor Takagi verabredet…

…er holt mich im Hotel ab und führt mich in dieses winzig kleine Sushi-Restaurant.

Rechts Professor Takagi. Links der Koch und Besitzer des Restaurants. Vor den Sushis gab zunächst mehrere Vorspeisen und immer wieder Sake. Sowohl kalt wie am Anfang auch warm. Außerdem gibt es beim Sake viele verschiedene Sorten. Wie beim Wein. Für jede neue Sorte gab's ein neues Glas.

Sushi wird hier auf einem Blatt serviert. Ich habe nachgefragt, ob das ein echtes Blatt ist oder aus Kunststoff. Es ist ein echtes Blatt. Mich hat das sofort an Ureparapara erinnert, wo das Essen ja auch auf Blättern angeboten wurde. Zweimal habe ich bei den verschiedenen Sushis vor Wohlbehagen laut aufgestöhnt. Der Koch hat's gesehen und hat sich gefreut. Das allertollste Sushi heißt "Ana-go". Da ist die Fischhaut um den Reis cross gebraten. Ich habe Professor Takagi dann vorgeschlagen, doch hier meine Geburtstagsfeier zu machen. Er wollte nicht, weil er sich ein italienisches Restaurant dafür ausgesucht hat. Ich habe gesagt, dann war das heute Abend eben eine Vor-Geburtstagsfeier.
12.11.15  










Professor Tagaki hat mir gestern Abend noch eine email geschickt und gesagt, dass die rote Blüte von gestern eine Kamelie ist. Hier eine weiße Kamelienblüte.

Hochzeitsfoto.



Heute Abend hat mich Professor Takagi auf den "Weg des Philosophen" eingeladen. Der geht in die Berge um Kyoto und ist voller Touristen und Geschäften, wo die sich touristische Sachen kaufen können.

Ich hasse Touristen. Es sieht zwar so aus, als sei ich auch einer, aber bin es nicht wirklich. Ich habe einen Job und dafür bin ich da.
Morgen Abend kommt meine ägyptische Freundin nach Kyoto, um mit mir meinen sechsundsiebzigten Geburstag zu feien. Ich denke nicht, dass ich vorher tot umfalle.
13.11.15  

Gestern Nacht bin ich sozusagen in einem Meer aus Sake und Soju ertrunken. Selbst heute Morgen brummt noch mein Kopf.



Das sind Sakefässer.



Im Zentrum von Kyoto.





In diesem Restaurant trinken wir Sake…

…und in dieser Bar Soju. Die Wirtin kennt Schauspieler aus den Filmen von Ozu. Professor Takagi fragt mich, ob ich das Drehbuch "Wassermädchen" noch verfilmen will. Er meint "Das Mädchen vom Fluss".

Von der Terrasse der Bar mache ich dieses Foto. Die Mädchen freuen sich darüber.



In ein paar Minuten landet meine ägyptische Freundin in Osaka/Kansai.

Das war heute Morgen.





Jetzt regnet es. Ich dachte schon, in Kyoto scheint immer die Sonne.

14.11.15  

Diesen Film hat meine ägyptische Freundin mit ihrer Kamera gemacht.





Heute Abend die Geburtstagsparty in einem italienischen Restaurant in Kyoto.
15.11.15  


Morgens ein Spaziergang im kaiserlichen Park.



Nachmittags ein Interview mit Akasaka Daisuke in der Universtität. Professor Takagi übersetzt. Hinter uns unendlich viele VHS-Kassetten von Filmen.
16.11.15   Die Sonne scheint wieder. Meine ägyptische Freundin und ich fahren zum .

Der dazugehörige See.

Der weltberühmte Steingarten lässt sich leider bei Sonne schlecht fotografieren, denn eine Hälfte liegt im Schatten.

Als Screenshot aus einer Filmszene…

…und dann die Steininseln einzeln fotografiert.

Die Rückwand ist eine Lehmmauer, die eingeölt wurde und sich im Lauf der Jahrhunderte auf natürliche Weise verändert hat. Plastisch sichtbar wird darin der Verlauf von Zeit. Ein zum Bild erstarrter Fluss. Wenn ich Glück habe, wird das auch ein Thema meiner Retrospektive in Kyoto.



Das eigentlich Aufregende heute Morgen am war jedoch ein versteckt im Wald liegender Friedhof. Kein Tourist weit und breit.

Am Abend führt mich meine ägyptische Freundin, die sehr viel abenteuerlustiger ist als ich, durch dunkle Straßen in ein winziges italienisches Restaurant. Da hat allerdings nur das Essen und der Wein italienische Namen.

Eine Backsteinmauer. Unregelmäßige, manchmal herausspringende Natursteine sind darin integriert. Es gibt Parallelen zur japanischen Töpferkunst und zu meinen Filmen.

Ein Esslokal.

Ein 24-Stunden Supermarkt. Wie in Amerika.

Auf dem Weg taucht plötzlich dieser Plastik-Weihnachsmann aus seiner Plastikmauer auf.
17.11.15  
Gestern Abend in der Lobby des Hotels.

Mittagessen in einer französischen Bäckerei um die Ecke. Wir sind beide dabei glücklich, weil es uns schmeckt.

Im kaiserlichen Palast…

…ein bisschen mühsam, da reinzukommen, und es regnet in Strömen, und wir sind umgeben von einer Touristenherde und die Fremdenführerin ist nervig. Trotzdem finden wir beide es wunderbar.
18.11.15  

Die Vorführung meiner Kurzfilme von einer DVD gestern Abend hat mich nicht glücklich gemacht. Da war fast alles total schwarz und total weiß.

Damit jeder versteht, was ich meine. So etwa sahen meine armen Kurzfilme in dieser Projektion aus. Das Q&A danach war überraschend gut. Trotzdem war ich danach fix und fertig.

Fremdenführung mit Regenschirmen im kaiserlichen Palast.







So habe ich mir japanische Gärten immer vorgestellt. Eine Harmonie von Formen und Farben. In einer solchen Umgebung einen neuen Film zu drehen, wäre nicht schlecht.

Eine amerikanische Professorin lädt meine ägyptische Freundin und mich zum Abendessen ein. Davor war ich für zwei Srunden in einen Tiefschlaf gefallen. Vorher ist mir eingefallen, warum die Projektion der Kurzfilme so in die Hose gegangen ist. Denn bei "DAS SICHTBARE UND DAS UNSICHTBARE" habe ich Muster mit einem Videoprojektor angeschaut, und der wurde davor von Kameramann Fred Kelemen präzise eingestellt. Morgen schauen sich beide Professorinnen "BERLIN CHAMISSOPLATZ" und "DAS ROTE ZIMMER" an.

19.11.15   Gestern Mittag war ich mit meiner ägyptischen Freundin in einer Mall in der Innenstadt. Wir waren schon am Samstag da, aber da war es brechend voll.



Ein ganzes Stadtviertel ist hier überdacht.

Ein Kino.



Unser Mittagessen. Dünngeschnittene Ente und jede Menge Gemüse und Pilze in einer auf dem Tisch kochenden Brühe.

Heute Mittag im Park. Malerinnen malen dieselbe Welt mit verschiedenen Augen.

Die Schönheit der absolut unregelmäßigen Ziegelsteinmauer bei Tageslicht.
Ab 16 Uhr "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Eine 16mm-Kopie des Goethe-Instituts. Inzwischen, weil schlecht gelagert, voll rot mit oft technisch erbärmlich schlechten, oft nur flimmernden japanischen Unteriteln.

Dann eine Stunde Publikumsgespräch. War auch relativ lustig. Und dann "DAS ROTE ZIMMER". Leider ohne Publikumsgespräch. Ich hätte liebend gern gewusst, was das Publikum dabei empfand. Mir war jedenfalls beim Sehen zumute, als wäre ich auf einem anderen Planeten.

Leider war auch hier die Vorführung von einer BluRay entschieden zu kontrastreich. Und diesmal nicht zu hell, sondern eher zu dunkel.
20.11.15  
Unser letzter Tag in Kyoto. Meine ägyptische Freundin fliegt heute Abend nach Kairo. Ich fliege morgen früh nach Berlin. Vorher entdecken wir im kaiserlichen Park, dass man in das Teehaus, das wir bisher nur von außen gesehen haben, gegen Zahlung von 100 Yen auch reingehen kann. Allerdings nur Freitags und Samstags.

Hier wird immer wieder geheiratet. Die Braut ist nur ägyptisch gekleidet. Sie ist Amerikanerin.













Das Teehaus von außen.

Meine ägyptische Freundin wird im Hotel von einem Sammeltaxi abgeholt und direkt zum Flughafen gebracht. So wie ich morgen früh.

In diesem Sushi-Restaurant hat meine japanische Reise begonnen und hier endet sie. Ich werde mutig und frage (übersetzt von Professor Takagi), wer von euch beiden ist der Chef. Sie sagt. er ist der Chef. Ich frage nach. Wer ist der Chef im Leben. Er sagt, meine Frau. Sie widerspricht nicht. Ich liebe die beiden.

Das letzte Sushi heißt Ana-go. Es schmeckte vor 12 Tagen wunderbar und heute auch. Wir sprechen darüber, ob der Fisch im Sushi ein Aal ist oder ein spezieller japanischer Fisch. Die Chefin zeigt mir dieses Buch und welcher aalähnlicher Fisch darin Ana-go ist. Ein Fischbuch in einem Restaurant. Ich bin beeindruckt.

21.11.15   Der Flughafen ist riesig und überall endlose Schlangen und ganze Armeen junger Mädchen, die für alles Mögliche behilflich sein wollen.

Um 10 Uhr (2 Uhr nachts deutsche Zeit) sitze ich am Gate für den Flug mit KLM nach Amsterdam.

Mein Flieger. Meine ägyptische Freundin hat bald Katar erreicht.



Ich bin wieder zurück an meinem Arbeitsplatz in Berlin. Den Umstieg in Amsterdam habe ich gerade noch so geschafft. Ansonsten war heute beim Fliegen ein Glückstag. Ich hatte beide Male den Gangplatz und der Platz neben mir blieb leer.
     
22.11.15  

Um 2 Uhr morgens bin ich hellwach, denn in Japan ist es jetzt schon wieder 10 Uhr morgens. Ich teste als Erstes die japanisch untertitelte BluRay auf meinem Fernseher. Das Bild da ist tatsächlich erheblich besser als das Bild bei der Projektion in Kyoto. Ich vermute, der Projektor da ist zu schwach für diesen Riesensaal gewesen.

Der Liebesvertrag in "DAS ROTE ZIMMER".


So langsam finde ich mich wieder in meine Berliner Welt zurecht. Heute läuft in einer Veranstaltung des Goethe-Instituts in Novosibirsk (LINK) um 17 Uhr "BERLIN CHAMISSOPLATZ".
In Deutschland ist heute Nacht (LINK) um 1.55 Uhr in der ARD "SIEBEN FRAUEN" zu sehen.
Und diesen Artikel im Freitag habe ich auch noch beim Googeln (LINK) gefunden. Er beschreibt ziemlich ausführlich auch meine Situation heute.

Außerdem bekomme ich eine Email von Stefan Grissemann, der zu meinem 70. Geburtstag in der FAZ ein Interview mit mir veröffentlicht hat (leider kann man das bei der FAZ nur gegen Bezahlung lesen):
"lieber rudolf thome,
bin grade nach langem wieder einmal für stunden in Ihrem wunderbaren online-tagebuch versunken: das ist, in dieser ganz unangestrengten verbindung von text, fotos und bewegtbildern, von vergangenheit und gegenwart, ja längst ein eigener fortlaufender film geworden.
glückwünsche zu (und respekt vor) der konsequenz, mit der Sie das betreiben! 
ganz herzliche grüße aus wien,
"

Solche emails bestärken mich darin, mit meinem Blog weiter zu machen und auch Einladungen zu für mich extrem anstrengenden Reisen, wie jetzt nach Kyoto, anzunehmen. Zu Serpil Turhan habe ich vor zwei Wochen gesagt, ich mache das nur für mein Blog. Und in der Tat hat sich die Kyoto-Reise blogmäßig gelohnt. Da hatte ich an einem Tag tatsächlich 320 Besucher auf meiner Website. Das hatte ich noch nie. Weder beim Drehbuchschreiben, noch beim Machen eines Films. Ich muss also damit weiter machen - solange ich noch atme und die Programme in meinem Computer bedienen kann. Und wenn es dann auch noch Spaß macht, wie in St. Petersburg und jetzt in Kyoto, werde ich doppelt belohnt.
Bis jetzt gibt es noch keine Einladungen zu Reisen im nächsten Jahr, aber wer weiß. Wenn es keine gibt, habe ich genug damit zu tun, auf meinem Bauernhof ein paar Sachen japanischer zu gestalten. Außerdem werde ich ab jetzt in 3 Jahren 80 Jahre alt und da könnte, was meine Filme betrifft, wieder mehr in Deutschland passieren als bei meinem 75. Geburtstag.
Peter Körte von der FAZ hat mir im Januar gesagt, dass Zeitungen nur bei ganzjährigen Geburtstagen Texte über Leute wie mich veröffentlichen. Bei mir also 60, 70, 80 und extrem vielleicht 90. In den Printmedien muss sich man also möglichst bemühen, das nächste Jahrzehnt lebendig zu erreichen. Stirbt man vorher oder danach gibt es nur noch einen Nachruf, über den der Gestorbene sich nicht mehr freuen kann, weil er selbst im Himmel keine Zeitungen mehr liest. Oder ist im "Himmel" auch inzwischen alles digitalisiert?

23.11.15  


Mein Auto heute Morgen lacht mich an. Wenn alles gut geht bei einem Arzttermin um 12.30 Uhr, bringt es mich noch heute zum Bauernhof.
Die Fahrt zum Bauernhof hat nicht geklappt. Ich muss morgen um 10 Uhr zu einem weiteren Arzt zur Untersuchung. Die tut wahrscheinlich weh.
Heute Nacht haben 180.000 Zuschauer "SIEBEN FRAUEN" im ARD gesehen. Am 18.11. 2009 waren es 360.000 Zuschauer und am 17.11, 2014 immerhin noch 250.000 Zuschauer. Ich bin auf einem absteigenden Ast. Das tut auch weh.

24.11.15   So glücklich strahlend wie ich heute Morgen ist bestimmt schon lange kein Patient aus einer Arztpraxis gekommen.

Der Vorgarten meiner Wohnung hat inzwischen eine neue Hecke bekommen. Statt Liguster jetzt Hainbuche.

Dann nichts wie weg zum Bauernhof. Alle Bäume sind kahl und der Gartenteich hat eine dünne Eisschicht.

Im Innenhof blüht jetzt der Winterjasmin.
25.11.15   Nach 34 Tagen ohne Fahrradfahren steige ich heute wieder auf mein Rad und fahre 12 km. Es ist ein wunderbares Gefühl. Vielleicht hilft mir das hier wieder richtig anzukommen, denn mein Herz und meine Seele sind noch immer in Kyoto.
26.11.15   Heute Morgen entdecke ich, dass Radhe Schiff, die in "DIE SONNENGÖTTIN" die Titelrolle gespielt hat, auf Skype online ist. Ich rufe sie an, und wir Skypen eine Stunde (!!!) miteinander. Eins meiner längsten Telefonate, denn ich war schon immer ein Kurztelefonierer.

Nach einer Fahrradfahrt will ich heute versuchem, mit den Autobiographie Notizen, mit denen ich am 3. November aufgehört habe, weiterzumachen.
Am 13. Januar 1988 hat das Berlinale-Forum "DAS MIKROSKOP" gesehen und für die Berlinale akzepiert. Am 15. Januar habe ich das in Florida geschriebene Drehbuch "DER PHILOSOPH" bei der Beliner Low Budget-Filmförderung (FKT) eingereicht. Am 22. 1. sagt mir Alfred Schantz (†), der mit Frnçois Duplat jetzt nicht mehr beim Concorde Filmverleih, sondern bei NEF ist, dass sie "DAS MIKROSKOP" schon im März mit 15 Kopien starten wollen. Am 31. Januar zeigt das ZDF zum ersten und einzigen Mal "TAROT". Hätten sie ihn nochmal gezeigt, wäre für den Drehbuchautor, für mich und auch für die Hauptdarsteller ein Wiederholungshonorar fällig geworden. Als ich 1985 vom Vertragsabschluss mit dem ZDF zurückkam und das Rüdiger Vogler voller Stolz erzählt habe, hat der nur trocken gesagt: "Meine Filme werden nicht wiederholt". "TAROT" hatte am 31. Januar um 21.15 Uhr 5,43 Millionen Zuschauer und 16% Marktanteil (obwohl in der ARD ein bisher noch nie gezeigter Hitchcock lief. Ich glaube, es war "Vertigo"). Am 2. Februar bekommt "DAS MIKROSKOP" das Prädikat "Wertvoll" und ich fliege über Chicago nach Cedar Rapids in Iowa, um für meinen Sohn Maximilian eine Knochenmarkstransplantation zu machen. Bis zum 22. Februar wohne ich dort in einem kleinen Hotel. Am 10. 2. schickt mir Ma einen aufmunternden Brief per Fedex und am 13. 2. bekomme ich von Anna ein Päckchen. Was da drin war, weiß ich nicht mehr. Am 16. 2. bekomme ich einen Riesenkrach mit Karin, denn sie will, dass ich nicht nur mein Knochenmark, sondern auch "Blutblättchen" spende. Am 19. 2. ist dann die eigentliche Knochenmarkstransplantation. Dafür war mit der Anästhesistin abgesprochen, dass sie es mit einer spinal tab macht. Die bekam ich mit einer langen Nadel im Sitzen und wurde nach der Hälfte ohnmächtig. Als ich wieder aufwachte, ist die ausgewechselt worden, und der Anästesist, der das jetzt übernommen hatte und mir eine Maske gab, sagte ich solle tief einatmen, das sei Sauerstoff. Natürlich war es das nicht, sondern ein Betäubungsmittel, das wir vorher für die Betäubung ausgeschlossen hatten. Mit zwei Betäubungen im Blut, habe ich mich dann von Maximilian verabschiedet und bin mit meinem Mietwagen am 22. 2. mühsam zurück nach Cedar Rapids gefahren. Das war, weil ich Schwindelgefühle hatte, die schwierigste Autofahrt meines Lebens. Von da mit dem Flieger nach Chicago. Auch da war das Umsteigen in den Flieger nach Frankfurt nicht einfach. Ich fühlte mich in einem nebligen Nirgendwo. Woran ich mich aber sehr genau erinnere, war im Flugzeug eine negative Kritik in der Frankfurter Rundschau von Wolfram Schütte zu "DAS MIKROSKOP", denn der war in der Zwischenzeit im Berlinale-Forum gelaufen. Ich hätte natürlich noch länger in Iowa bleiben sollen, aber Anna war im siebten Monat schwanger, und ich wollte bei der Geburt dabei sein, und sie wollte das selbstverständlich auch.

Bei mir läuft heute alles verkehrt herum. Morgens zuerst die Autobiographie-Notizen, dann Bauernhofarbeiten. Heute verbrenne ich endlich den Riesenberg Kastanienblätter, in dem die verpuppten Miniermottenlarven den Winter überleben. Nicolais Kastanienbaum wird es mir im nächsten Jahr danken.

Um mir die Rückkehr in meine Welt vor Kyoto zu erleichtern, habe ich mir auch den fünften und bisher letzten Band von Knausgårds Romanserie geleistet.
27.11.15  


Meine Tochter Joya an einem Strand in Mexiko. Morgen fliegt sie mit Philipp nach Kuba.



Hier ist es leider nicht so schön wie bei meiner Tochter in Mexiko.

Ich mache weiter mit den Autobiographie-Notizen. Zurück in Berlin telefoniere ich mit meinen Freunden. Alle sagen, dass die Degeto und ein französicher Verleih verzweifelt auf der Suche nach mir sind. Wolfgang Jurgan, damals noch ein einfacher Redakteur und seine Kollegin Frau Dr. Michel bei der Degeto, hatten "DAS MIKROSKOP" im Forum gesehen und wollten ihn für das Fernsehen kaufen. Ebenso Galeschka Moravioff von Les Films sans Frontières. Am 25. Februar telefoniere ich mit Galeshka Moravioff. Er sagt er schreibt mir einen Brief. Am 2. März telefoniere ich mit der Degeto. Zum ersten Mal. Es war der Beginn einer 24 jährigen Zusammenarbeit mit 17 Filmen. Am 1. März bin ich bei meinem Augenarzt Friedrich Kramer (†), der mich schon bei "TAGEBUCH", wo ich vor Aufregung, weil ich nackt gefilmt wurde, in eine Stechpalme gelaufen bin. Offensichtlich hatte ich durch die doppelte Betäubung in Iowa auch Augenbrobleme.
Am 3. März bin ich mit Anna bei einer Premiere im Theater zu westlichen Stadthirschen, begegne dort Hanns Zischler. Wir begrüßen uns nicht, sondern schauen beide weg. Was für ein Stück gespielt wurde, weiß ich nicht mehr. Ab dem 4. März bin ich regelmäßig mit Anna bei einer Schwangerschaftsvorbereitungsgruppe. Ich fand das ziemlich unmännlich, bin aber trotzdem gerne hingegangen, denn ich mochte die Leiterin und es gab da auch noch eine andere schwangere Frau, die mir außerordentlich gefallen hat. Auch werdende Väter sind noch in der Lage, andere Frauen wahrzunehmen.
Annaas Kommentar: Du bist während der Schwangerschaftsvorbereitungsgruppe regelmäßig eingeschlafen und hast unsere Atemversuche und die Anweisungen an die Männer, die die Atmung ihrer Frauen  bei der Geburt begleiten sollten, regelmäßig verpennt und diese stattdessen mit lautem Schnarchen begleitet. Für mich war das ok, da ich das Gefühl hatte, dass ich das mit der Atmung sehr wohl auch ohne Dich gut im Griff haben würde.
Wegen meiner Schwindelgefühle hat mich Anna zu einem Dr. Vermehren geschickt. Da war ich am 8. März und dann mehrmals und er hat mir verschiedene, teure Pillen verschrieben. Ich habe sie geschluckt, geholfen hat es nicht. Am 14. März ist mein Produzent von "ROTE SONNE", Heinz Angermeyer (†), gestorben. Er hatte mir ein Jahr vorher die Rechte und das Negativ des Films vermacht. Davon lebe ich noch heute. Vom 15. 3. bis 18. 3. bin ich beim Goethe-Institut in Nancy. Welcher Film gezeigt wurde, weiß ich nicht mehr. Es waren jedenfalls nicht übermäßig viele Zuschauer da und der Leiter hat mir erzählt, dass bei einem Film von Jean-Marie Straub auch sehr wenige da waren und dass Straub ziemlich viel Wein getrunken hatte. Beides hat mich besänftigt. Kaum zurück aus Nancy erfahre ich von Karin, dass unser Sohn Maximilian am 18. März gestorben ist. Er habe sich eine Beerdigung durch einen Indianerhäuptling gewünscht. Die solle am 23. März in der Nähe von San Franzisko stattfinden. Ich fühlte mich eigentlich zu schwach für einen Flug, telefoniere mit Ma in Florida. Sie sagt, du musst da hin. Also fahre ich am 22. März nach Tegel, kriege einen Flug nach Frankfurt und da auch einen Flug nach San Franzisco. Und obwohl ich nur Economy gebucht hatte, einen Platz in der Business Class. Ich habe ein Auto gemietet und bin an den Ort gefahren, den mir Karin gesagt hatte. Ich habe so gut wie keine Erinnerung daran, was da dann passiert ist. Karin wollte mich jedenfalls länger da behalten und schlug mir vor, darüber einen Film zu machen. Das hat mich schockiert, und ich bin ohne mit ihr darüber weiter zu sprechen zurück geflogen. Am 30. März sagt die FFA zur Förderung von "DER PHILOSOPH" nein. Am 31. März erfahre ich, dass die beiden Hauptdarsteller Adriana Altaras und Vladimir Weigl einen Bundesfilmpreis bekommen. Ich leider nicht. Ich gehe zum sechsten Mal in den Schwangerschaftsvorbereitungkurs und fange an, die Dreharbeiten für "DER PHILOSOPH" vorzunbereiten. Am 5. März fliege ich nach München, übernachte im Hotel Residence, bin am nächsten Morgen bei einer Pressevorführung von "DAS MIKROSKOP" und fliege am Nachmittag wieder zurück, denn am Abend macht Adriana Altaras ein Fest zu ihrem 28. Geburtstag. Am 9. April bin ich, so stehts in meinem Terminkalender in einem Konzert mit Ravi Shankar (ich habe nicht einen Hauch von Erinnerung daran). Am 11. April telefoniere ich morgens mit Martin Schäfer und wir vereinbaren den Drehtermin für "DER PHILOSOPH" für den 30. Mai. Am Abend desselben Tags ruft mich Reinhold Vorschneider, sein Assistent, an und sagt mir, dass Martin Schäfer gestorben ist. Er sei bei einer Motivbesichtigung auf einer Wiese einfach umgefallen und war sofort tot. Er wollte für die Produktion die Telefonnummern seiner Frau und seiner Schwester. Ich sage, ihr kennt die doch gar nicht. Lasst mich das machen. Ich rufe zuerst Martins Schwester an.
Anna ergänzt meine Erinnerung: was ich noch genau erinnere, als ob es gerade passiert sei: Du standst am Schreibtisch und bist plötzlich in die Knie gegangen…ich wusste sofort, es ist was Schlimmes passiert…Du bist nicht ohnmächtig geworden, gar nicht, aber Deine Beine haben Dich nicht mehr getragen…
Anna sitzt neben mir. Martins Schwester schreit vor Schmerz laut auf. Anna hört das. Ich schicke sie weg. Ich weiß nicht mehr, was ich ihr gesagt habe. Danach, alleine, rufe ich seine Frau Laurence an. Sie erträgt die Nachricht mit mehr Fassung. Am nächsten Morgen um 11 Uhr wird mein Sohn Nicolai geboren. Geschlafen in dieser Nacht habe ich wahrscheinlich nicht.
Noch eine Ergänzung durch Anna: nein hast Du nicht-Du hast mir (wenn Du nicht mit der Hebamme über die neuesten handys gesprochen hast, sehr gut bei der Geburt unseres Sohnen beigestanden;)
Und erschöpft warst Du auch….kurz nach der Geburt, auf dem Weg nach Hause, als wir die Treppe runtergingen hast Du Nicolai in der Tasche getragen und bist gestolpert - hast aber in einem grandiosen Akt Nicolai und Dich vor dem endgültigen Fall gerettet ! Ich ging hinter Dir und mir ist fast das Herz stehen geblieben

Am 12. April fliege ich für ein paar Stunden zur Degeto nach Frankfurt, um den Vertrag auszuhandeln. Am 14. April fährt mich Jochen Brunow mit meinem Auto nach München zur Beerdigung von Martin Schäfer im Waldfriedhof Obermenzing. Ich nehme an, dass auch Reinhold Vorschneider mit im Auto saß. Am gleichen Tag startet "DAS MIKROSKOP", Martin Schäfers letzter Film in Berlin und in München. Bruno Ganz hält bei der Beerdigung am 15. April die Grabrede. Ich kann mich noch an ein Essen erinnern, aber mehr weiß ich nicht. Wahrscheinlich war ich da halbtot.
28.11.15  


Den Vollmond vor drei Tagen habe ich verpasst. Aber der Mond, den ich am Himmel sehe, zieht mich magisch an in den Garten. Der von der Sonne angestrahlte Walnussbaum wirkt wie eine Skulptur.

Im Nachbargarten ist heute Hochbetrieb. Alles Jäger. Sie tragen rote Schutzwesten, damit sie sich nicht gegenseitig erschießen.

Die armen Rehe, Hasen und Wildschweine, denen ich im Laufe des Jahres begegnet bin, müssen heute viel Glück haben, um zu überleben. Als ich dieses Foto machte, fiel ein Schuss.
Zu den Autobiographie-Notizen: Von Martins Beerdigung bis Ende Juni 1988 bin ich nirgendwohin geflogen, sondern habe die Dreharbeiten von "DER PHILOSOPH" vorbereitet. Schauspieler gesucht und das Drehteam zusammengestellt. Am 9. Juni habe ich mich um 22 Uhr Franz Xaver Kroetz in dessen Hotel getroffen. Den Drehbeginn von "DERVPHILOSOPH" hatte ich um vierzehn Tage verschoben. Gedreht habe ich, mit Reinhold Vorschneider als Kameramann, vom 14. Juni bis 8. Juli. Am Anfang hatte ich nicht die geringste Lust überhaupt diesen Film zu drehen. Aber während der Dreharbeiten bin ich von Tag zu Tag gesünder geworden. Einen Film zu drehen war offensichtlich eine bessere Medizin als sämtliche Pillen. Am 27. Juni morgens war ich in in der Tschechischen Militärmission und habe Visa für mich und Adriana Altaras und Vladimir Weigl besorgt. Vom 15. Juli bis 17 Juli war ich mit den beiden beim Karlovy Vary-Filmfestival. Da treffe ich Helmut Merker, Filmredakteur beim WDR, und habe mich bei ihm dafür entschuldigt, ihn bei der Teampremiere von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" nicht ins Kino gelassen zu haben. Mein Argument: ich habe Sie nicht eingeladen. Am 18. Juli habe ich mit Dörte Völz angefangen, den Film zu schneiden. Am 5. August waren wir damit fertig. Am 5./6. September war Mischung, am 14. September war die Nullkopie fertig. Zwischendrin, am 8. 9. habe ich mit Chanell 13 in New York den Verkauf von "DAS MIKROSKOP" für die USA abgeschlossen. Mein erster und einziger Verkauf nach Amerika. Kaufpreis US $ 6.000.
Am 14. September habe ich allen Schauspielern die Gagen-Rückstellungen gemacht hatten, diese überwiesen. Alle waren überrascht, weil sie nicht damit gerechnet hatten.
Am 17. September war die Team-Premiere von "DER PHILOSOPH" in Berlin in der Lupe 2.
Am 19. und 20. September war ich in München und habe im Neuen Rex den Film gezeigt. Da waren jedenfalls Peter Buchka (†), Rainer Gansera von der SZ, Marlis Kirchner (Theatiner Filmkunst) und die Leute von NEF 2. Am 21. September bin ich dann mit Anna und Nicolai, der da gerade 5 Monate alt war, zu Ma nach Florida geflogen. Am 15. Oktober sind wir zurückgeflogen. Im Terminkalender steht die Notiz "zurück!!! Feuer unterm Arsch". Ich denke, dass ich in dieser Zeit in Florida das Drehbuch zu "SIEBEN FRAUEN" geschrieben habe. Ob wie "DER PHILOSOPH" auf meinem eigenen Grundstück oder am Meer weiß ich nicht. Mit Sicherheit habe ich aber auf meiner Olivetti Lettera das Drehbuch geschrieben.
Am 21. Oktober teilt mir Christoph Hummel (†), damals Redakteur bei der Degeto mit, dass sie auch "DER PHILOSOPH" kaufen wollen. Meine geheime Kalkulation, wenn ich einen Film als ersten Teil einer Trilogie bezeichne, werden die, die ihn kaufen, auch die nächsten Filme kaufen. Ganz so einfach ist das dann später allerdings nicht gewesen. Am 24. Oktober habe ich meine erste Online-Überweisung per BTX gemacht. Das habe ich ab da sehr oft gemacht, obwohl es in meiner Erinnerung extrem mühsam und umständlich war. Heute ist BTX Computer-Steinzeit.
Draußen hupt es. Meine Briefträgerin bringt mir die DCP von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" aus Novosibirsk.

Früher war das Fliegen einfach. Heute ist das Filmverschicken einfach.

29.11.15  
Mein 1. Advent.

Meine Tochter im Flieger zwischen Mexiko und Havanna. Ich bin dann doch noch Fahrrad gefahren. Trotz starkem Wind.

Zu den Autobiographie-Notizen: Adriana Altaras schreibt mir aus Siena, wo sie bei Proben zu einem Theaterstück ist, dass das Stück im Theater zum Westlichen Stadthirschen am 3. März 1988 mit großer Wahrscheinlichkeit "Clara S." von Elfriede Jelinek war. Außerdem habe ich ihr einen YouTube-Link zu "SIEBEN FRAUEN" geschickt: https://www.youtube.com/watch?v=hJ473et2B7w#t=27.
Sie hatte ihn noch nie gesehen und sich über ihre Jugend und Schönheit sehr gefreut.
Ich habe gegoogelt und die Website des Stadthirschen gefunden, es war tatsächlich "Clara S." Auch Anna bestätigt mir das heute per email. Sie erinnert sich an noch viel mehr Dinge vom 11. und 12. März, die ich morgen einfügen werde. Ich will heute erst mit dem Jahr 1988 zuende kommen. Im Oktober bin ich jedenfalls vollständig meinem Macintosh-Computer verfallen und habe angefangen mit Hypercard zu programmieren. In "SIEBEN FRAUEN" kann man das sehen, wenn Johannes Herrschmann den Computer seines Vaters startet und da in Hypercard programmierte Nachrichten seines Vaters findet. Am 14. November steht als Notiz im Terminkalender "Geburtstagsparty von Anna für mich als Überraschung". Keine Ahnung was da passiert ist und wer dazu kam. Am 23. November habe ich "DER PHILOSOPH" für die Deutsche Reihe angemeldet, denn Filme die dort liefen, galten nicht als Festivalbeitrag und konnten daher auch noch in Cannes gezeigt werden. Vom 24. November bis 27. November war ich beim London Filmfestival. Dort wurde am 26. 11. "DAS MIKROSKOP" gezeigt. Außerdem wurde der Film mit dem französischen Titel "Les Formes de l'amour" in Frankreich gezeigt. Die Premiere in Paris war am 7. Dezember. Die Kritik der Cahiers du Cinéma (LINK) ist noch immer auf meiner Website. Am 7. Dezember erhielt "DER PHILOSOPH" das Prädikat "Wertvoll". Die FSK hat ihn zwei Tage vorher nur ab 16 Jahren freigegeben. Am 13. Dezember steht bei mir "schwarzer Tag". Keine Ahnung warum. Vielleicht habe ich mich mit Anna gestritten? Am 14. Dezember finden wir beide ein Haus mit Garten im Eiderstädter Weg 24. Vielleicht habe ich mich bis zuletzt dagegen gewehrt aus der Wohnung in der Knesebeckstraße auszuziehen. Am 27. Dezember sieht Hellmut Karaseck "DER PHILOSOPH" und schreibt danach eine wenig freundliche Kritik im Spiegel. Er hat von der Ironie des Films nicht das Geringste mitgekriegt. Im Jahr 1989 wird der Film in Cannes laufen und zu meinem international größten Erfolg werden.
30.11.15  
Der Dorfteich gestern Abend. Anna Morosowa schreibt mir zu "BERLIN CHAMISSOPLATZ" aus Novosibirsk:
"wunderbar, dass der Versand so schnell geklappt hat. Eigentlich war Ihr Film der populärste im Programm und hat eine lebendige Diskussion nach dem Screening hervorgerufen: nach der detaillierten Analyse der Beziehungsentwicklungen haben die Zuschauer doch keine Chancen der Paar gelassen, einige haben das Verhältnis von Anna zu Ihren Partnern moralisch kritisiert, viele waren aber von der Gesamtstimmung und der Darstellung von Berlin fasziniert und natürlich wurde die Szene mit dem Piano als die stärkste im Film hervorgehoben. Der Film kam bei dem Publikum sehr gut an. Die Nowosibirsker schicken Ihnen großen Dank für den großartigen Film!"
Zu den Autobiographie-Notizen: Am 3. und 4. Januar bin ich in Paris. Ich zeige dem Verleih von "DAS MIKROSKOP" der "PHILOSOPH". Am 5. Januar startet "DER PHILOSOPH" in Deutschland im Kino. In Berlin im Broadway. Mit ungewöhnlich guten Zuschauerzahlen. Am 12. Januar sagt mir Pierre-Henri Deleau zu, dass er "DER PHILOSOPH" auf der Quinzaine in Cannes zeigen wird. Diesmal am Telefon. Ohne Telegramm wie bei "TAROT". Am 13. Januar habe ich "SIEBEN FRAUEN" bei der Low Budget-Filmförderung in Berlin eingereicht. Am 25. Januar erfahre ich vom Filmverlag, dass sie "DER PHILOSOPH" in den Weltvertrieb, der damals von Claudie Cheval (†) geleitet wurde. Für mich, wie sich später herausstellte ein absoluter Glücksfall. Am 26. Januar war ich wieder bei einer Premiere im Theater zum Westlichen Stadthirschen. Das Stück diesmal hieß "Penepole". Diesmal war Hanns Zischler nicht da. Am 7. Februar ziehen Anna, ich und Nicolai um in den Eiderstedter Weg 24 in Nikolassee. Am 12. Februar läuft "DER PHILOSOPH" im Rahmen der Deutschen Reihe in der Filmbühne am Steinplatz. Ich treffe später Frieda Grafe, die den Film gesehen hat. Sie sagt, der Film kommt ihr vor, als habe ihn ein ganz junger Regisseur gemacht. So frisch und unkonventionell sei er. Von Claudie Cheval erfahre ich, dass sie den Film bereits nach Japan und nach Schweden verkauft habe. Auch Paulo Branco wolle die Rechte für Portugal kaufen. Der hatte schon "BESCHREIBUNG EINER INSEL" in Frankreich herausgebracht. Auch Jackie Raynal aus New York wollte den Film haben. Doch Claudie Cheval sagte mir, dass die niemals etwas bezahlen werden.
Vom 8. bis 10. März bin ich in Lyon. In meinem Terminkalender steht nicht, welcher Film da gezeigt wurde. Ich erinnere mich aber, dass ich in der Stadt herumgelaufen bin und echten Lyoner Senf für Anna gekauft habe. Am 8. März begann das Karate-Training für die Schauspielerinnen in "SIEBEN FRAUEN". Am 14. März teilt mir die Berliner Filmförderung (FKT) mit, dass ich auch für "SIEBEN FRAUEN" Geld kriege. Am 30. März treffe ich mich zum Casting um 8 Uhr morgens mit Martina Gedeck in einem Café (MAGO). Ich habe da mit Absicht einen so unmöglich frühen Zeitpunkt gewählt und das später bitter bereut. Am 8. April feiert Norbert Jochum (einer der Autoren des 1. Thomebuchs) seine Hochzeit mit "ROTE SONNE" in der Lupe 2.
Am 14. April ist endlich der Drehbeginn von "SIEBEN FRAUEN". Diesmal macht Martin Gressmann, ein früherer Assistent von Martin Schäfer, die Kamera. Nach 25 Drehtagen ist der Film am 11. Mai abgedreht. Am 12. Mai ist das Abschlussfest. Am 13. Mai fliege ich zum Filmfestival nach Cannes. Am 18 Mai wieder zurück.
Es ist gut gelaufen für mich in Cannes. Vor allem Libération hat mich schon auf der Titelseite begrüßt. Der Kritiker, den sie für die Kritik ausgewählt hatten, war mit Absicht noch "jungfräulich" in Bezug auf meine Filme. Er schrieb: "Avec le Philosophe, on tient le premier Doctor Feelgood du Festival, en la personne improbable de son auteur, Rudolf Thome. C'est annoncé comme une comédie mais rien ne laisse attendre à la fois le dépaysement, la gravité enjouée et le profond plaisir qui nous y attendent". Alle französischen Kritiken sind noch immer auf meiner Website (LINK). Außerdem habe ich da zum ersten Mal seit langer Zeit Jean-Marie Straub und Danièle Huillet wieder getroffen. "DER PHILOSOPH" wurde in ca. 35 Länder weltweit verkauft und zwei Firmen (darunter Hollywoods Fine Line) interessierten sich für die Remake.Rechte. Ich habe das dann in Berlin dann Jochen Brunow erzählt. Er konnte mir das kaum glauben. Ein Blitzdrehbuch in 20-28 Tagen und dann interessiert sich Hollywood dafür. Bei "PARADISO - SIEBEN TAGE MIT SIEBEN FRAUEN" ist mir das dann zum zweiten Mal passiert. Das erste Halbjahr 1989 war wie ein Rausch. Wie Anna mit Nicolai das überlebt hat, ist mir ein Rätsel.
   
   



   

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