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Mit Rote Sonne hat Rudolf Thome deutsche Filmgeschichte geschrieben. Seine neuen Filme Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan und Just Married laufen im Kino.

Der Berliner Schriftsteller Bodo Morshäuser unterhielt sich für den TIP mit Rudolf Thome über Männer, Frauen, Eric Rohmer und das Filmemachen.


Bodo Morshäuser
TIP
19/98
Herr Thome, Sie haben mit "Just Married” einen frauenfeindlichen Film gedreht, das finde ich klasse. Wie gehen Sie mit meinem Lob um?
Das gefällt mir natürlich überhaupt nicht. Über all die Jahre ist eigentlich der Tenor gewesen, ich sei ein frauenfreundlicher Regisseur. Bei "Just Married" nehme ich eine objektive Position ein gegenüber beiden Geschlechtern. Ich zeige in diesem Film, wie Frauen einen Mann sozusagen auseinandernehmen und fertigmachen können, aber meine Sympathie liegt bei beiden. Wenn die Frau ihm am Meer sein Lieblingsspielzeug, den Taschencomputer, wegnimmt und ins Meer schmeißt, dann zeige ich nicht, wie er leidet, sondern wie sie leidet.

Die Schikane beginnt damit, daß die Frau das 5000-Mark-Spielzeug ins Meer wirft. Ich hatte den Eindruck, einem fürchterlichen Beziehungsparadox beizuwohnen. Sie läßt ihn, der danach gestürzt ist, verletzt daliegen.
In der ursprünglichen Drehbuchversion hat sie, nachdem er heruntergestürzt ist, sich auf den Felsen des Ufers gegenüber gesetzt und ein Buch zu Ende gelesen. Das erschien uns dann beim Drehen doch zu hart.

Würden Sie diese Ehe ab normal bezeichnen?
Genau! Ich würde diese Ehe als normal bezeichnen.

Sie meinen, Gleichberechtigung sei eine Fiktion und Liebe oder Ehe bedeuteten Kampf seien ein Hin und Her zwischen den Gewichten?
Ja. Und ich zeige eine Ehe mit Kindern. In einer Ehe mit Kindern verschiebt sich das Gleichgewicht, wo es vorher auch immer gewesen sei, auf die Seite der Frau. Die Frauen sind ja keine Monster, sondern sie werden die Möglichkeiten, die ihnen das Kind bietet, nämlich einen Machtzuwachs, ausnützen. Sie sind mehr oder weniger dazu gezwungen. Das wollte ich zeigen, durchaus demonstrativ und als Modell.

Ich habe gelesen, daß es zum Schluß des Films Probleme mit dem Hauptaarsteller gab, weil er einen negativeren Schluß wollte ab sie.
Nachdem sie ihm am Schluß auch noch seinen Piepser ins Wasser schmeißt, da wollte er nicht gerade versöhnlich neben ihr und den beiden Kindern weitertrotten. Er sagte, "Ich schlage nie Frauen, aber der würde ich eine in die Fresse hauen". Wir haben die Dreharbeiten unterbrochen. Wir waren dabei, eine Notlösung zu wählen, die meinem gewünschten Schluß nahekommt, und dann hat es doch funktioniert, wie von selbst, dann konnte er das Happy-End spielen. Wie durch ein Wunder machten dann auch die Kinder mit, und alle taten genau das, was wir für die Kamera brauchten.Damit haben die beiden es sogar noch versöhnlicher gespielt als in jeder Probe vorher. Sie schmeißt den Piepser ins Wasser, er lacht und nimmt ihre Hand, das heißt, ihre beiden Hände finden sich, das passiert dann von ganz alleine.

Auf der Leinwand sieht man nicht, ob etwas von alleine passiert ist, sondern man sieht den Film. Wenn Sie sagen, dieser Schluß sei ein Happy-End, dann heißt das doch, daß dieser ganz normale Terror weitergeführt wird. Ist das erstrebenswert? Macht das jemanden happy? Warum "befreit” der Mann sich nicht?
Das ist ein Happy-End, weil sie zusammenbleiben. Die beiden werden zusammen auch noch glückliche Momente mit ihren Kindern erleben. Sie wird so bleiben, wie sie war, aber mit der Zeit wird ihre Macht schwinden, denn je älter die Kinder werden, desto geringer wird ihre Macht über ihn. Ich hätte diese Geschichte auch in einer anderen Umwelt ansiedeln können. Es ging mir wirklich nur um das Modell. Der andere wichtige Punkt, warum ich unbedingt diesen Film machen wollte, war die Art, wie der Film erzählt ist. Er ist ziemlich anders erzählt als meine meisten Filme, weil er mit extremen Ellipsen arbeitet. Das hat mich gereizt.

Ich finde, das ist Ihnen wunderbar gelungen.
Eine Ehe beginnt mit der Hochzeit, dann kommt die Hochzeitsreise, dann gibt es einen Zeitsprung, dann ist das erste Kind da, dann gibt es noch mal einen Zeitsprung, und dann ist das zweite Kind da. Im letzten Abschnitt betrügt er sie, und dann betrügt sie ihn. Das finde ich wunderbar, daß sie ihn auch betrügt, um quitt zu sein. Sie hat zwar nichts davon, sie tut sich selbst weh, aber ich finde es wunderbar, daß sie das tut.

Die Preview von "Just Married" wurde so angekündigt, daß man nicht sagte, welcher Film gezeigt werde, daß man nur sagte, es sei kein Mainstream-Film. Sind Sie stolz darauf nicht zum Mainstream zu gehören? Oder ist Ihnen das alles egal?
Nein, egal ist es mir nicht. Ich habe nichts gegen den Mainstream. Da muß man aber unterscheiden zwischen deutschem und Hollywood-Mainstream. Zum deutschen Mainstream tendiere ich nicht, aber Hollywood-Mainstream, wenn er gut ist, das sind genauso tolle Filme wie der beste europäische Autorenfilm. Die sind voller Phantasie und Kinobegabung gemacht. Das ist aufregendes Kino.

Was haben Sie gegen den deutschen Mainstream?
Das sind Filme mit meistens historischen Themen, mit meistens literarischen Vorlagen oder Sachen aus der Nazizeit oder aus den zwanziger Jahren, das ist alles so schwer und bedeutungsvoll, und mein Kino ist eigentlich das Gegenteil von bedeutungsvoll. Deswegen ist meine Position in Deutschland auch so schwierig. Im Mainstream sitzen Sie als Zuschauer vor einer Maschinerie, und Sie haben keine Chance. Wenn der Film zu Ende ist, wird man aus dem Kino gespuckt, und das war's. Das mag ich nicht.
Bei mir soll man in seinem Sessel sitzen, sich zurücklehnen und gucken. jeder sucht sich selber aus, was er sehen will, oder was er nicht sehen will, ich stupse ihn nicht mit der Nase darauf, was er sehen sollte. Meine Filme kann man mehrmals sehen, und man wird immer wieder Neues finden, was man vorher übersehen hat.

Nach meinem Gefühl ist Ihnen das bei "Just Married" gelungen.
Da bin ich dann glücklich.

Wie finden Sie die Filme von Eric Rohmer?
Das ist eine Frage, die ich liebe. Ich kenne Rohmer von Anfang an. Ich muß gestehen, daß ich die Filme, bis auf den ersten, nicht sonderlich mochte. Die waren mir zu intellektuell, und da wurde zuviel geredet. Dann habe ich "Die Frau des Fliegers" Anfang der Achtziger gesehen. Ich bin da rausgekommen und war einfach beflügelt und wollte sofort auch einen Film machen.
Von diesem Moment an habe ich seine Filme aufmerksamer gesehen und mochte jeden zweiten oder dritten Film von denen, die dann folgten, doch sehr. "Vollmondnächte" habe ich total geliebt. "Das grüne Leuchten" fand ich wundervoll. Der letzte, den ich wirklich geliebt habe, das war "Sommer".
Als ich die Trilogie mit "Mikroskop", "Philosoph" und "Sieben Frauen" machte, haben die französischen Filmkritiker gesagt, der Thome macht den Rohmer nach, aber es sei besser, weil bei ihm nicht soviel geredet werde. Dabei habe ich das nur deswegen gemacht, weil die Berliner Filmförderung eine Low-Budget-Förderung einrichtet hat. Der erste Film war erfolgreich, und dann konnte ich weitermachen. So kam es zu meiner Trilogie.
Rohmer ist einer der wichtigsten lebenden Regisseure, und ich bewundere ihn sehr. Mich erinnert er an einen Hochschulprofessor, weil er alles so genau nimmt. Ich bin das Gegenteil, ich bin schlampig, ich arbeite mit dem Zufall und mit Improvisationen.

Das tut Rohmer auch.
Ja, aber er bereitet die Improvisation besser vor. Er arbeitet mit den Schauspielern ein halbes Jahr. Ich fange wirklich erst in dem Moment an, in dem ich drehe.

Würden Sie Ihrem Publikum Ihre politische Meinung verkünden, zum Beispiel jetzt vor der Bundestagswahl?
Nein.

Weil Sie Künstler sind?
Ich hab' da keine Hemmungen, ich sage Ihnen, was ich wähle.

Meine Frage ist, ob Sie es Ihrem Publikum sagen würden.
Nein. Dann wär' ich ja Politiker. Ich versuche nie, anderen Menschen aufzureden, was ich für richtig halte. Es gibt Filmemacher, die zwingen ihr Team, das zu tun, was es vielleicht gar nicht tun will. Und ich verlange überhaupt nichts von den Leuten, ich frage die Leute: Wie wollt Ihr es machen?

Passiert es Ihnen da nicht hin und wieder, daß am Ende ein Film rauskommt, den Sie gar nicht drehen wollten?
Bei diesen beiden neuen Filmen wollte ich etwas völlig anderes machen als vorher, ich habe mit einem neuen Team gearbeitet, ganz junge Leute, ein Kameramann, der noch nie einen Spielfilm gedreht hatte, und was ist rausgekommen? "Tigerstreifenbaby" ist ein Thome-Film par excellence. Obwohl der Kameramann eine unglaubliche Freiheit hatte, er dachte manchmal, er dreht den Film.

Sind Sie ein demokratischer Regisseur im Gegensatz zu einem autoritären?
Ich bin ein so extrem demokratischer Regisseur, daß es beim Drehen immer einige Leute gibt, die meinen, da gibt es überhaupt keinen Regisseur.

Hat Sie das irgendwann einmal richtig gestört? Wollen Sie nicht auch einmal bestimmen, was gemacht wird?
Ich bestimme es doch. Meine Entscheidung ist, den Leuten ihre Freiheit zu lassen. Einen Film zu drehen ist ein Stück Leben in Hochpotenz, das ist wie eine Liebesgeschichte, man ist total konzentriert für einige Wochen, nichts anderes ist eine Liebesgeschichte im Anfangsstadium. Diese Zeit will ich doch angenehm erleben. Und das schaffe ich, wenn ich den Leuten ihre Freiheit lasse. Darin werden die Filme besser. Der Film wird stärker, wenn die Phantasien von mehreren Leuten zusammenkommen.


Stefan Grissemann
FAZ
9.11.2009

Ohne Frauen kann ich keine Filme machen

Ein Gespräch mit dem Regisseur über die Freuden des Alters, die Schrecken der Psychologie und das Leben mit Nacktschnecken

Man meint Ihre seltsam stilisierten Filme immer gleich zu erkennen: an ihrem Klang, ihren Themen, ihren Bildern. Besitzen Sie als Regisseur eine Signatur?
Thome: Ich hoffe! Unlängst, als ich nicht schlafen konnte, schaltete ich weit nach Mitternacht den Fernseher ein, stolperte mitten rein in einen Film. Und ich wusste sofort: Das ist Almodóvar!

Der ist ja auch wirklich leicht zu erkennen, aber Sie sind doch lange nicht so manieristisch.

Thome: Ja, gut, mag sein. Trotzdem freue ich mich, wenn mein Stil wieder erkennbar ist. Denn ich arbeite ja mit sehr verschiedenen Kameraleuten zusammen.

Leicht zu lieben sind Ihre – oft richtig enervierenden – Protagonisten nicht. Identifikationsfiguren sind das nicht.
Thome: Ich weiß nicht. Das liegt vermutlich an dem Mangel an Informationen, die ich gebe. Man kann diese Figuren nicht ganz verstehen, es ist schwierig, sich ihnen nahe zu fühlen.

Warum weigern Sie sich so beharrlich, die Motivationen Ihrer Charaktere zu erklären?
Thome: Das war in meinen Filmen schon immer so. Bevor ich mich für Uschi Obermaier als Hauptdarstellerin in „Rote Sonne“ entschied, hatte ich eine andere, damals sehr prominente Schauspielerin im Auge. Sie gefiel mir, ich wollte sie unbedingt für meinen Film. Ich bat sie also, das Drehbuch zu lesen, sie tat es sofort, las es in einem Zug. Als sie fertig war, meinte sie nur, sie könne das leider nicht spielen, denn in dem Buch sei ja keinerlei Psychologie. Wer sollte das verstehen? Sie hatte es durchschaut. Denn das sollte das Prinzip meiner Filme werden: nur keine Psychologie.

Glücklicherweise. Im Kino alles zu erklären ist doch eine Untugend.
Thome: Man muss diese Herausforderung aber auch mögen. Es gibt jede Menge Leute, die sich von meinen Filmen erwarten, eine Aussage mit nach Hause zu kriegen. Ich merke auch, dass die meisten Kritiker immer nur von Inhalten reden.

Das gehört doch zu Ihrem Spiel: Sie bieten starke Geschichten an – und lassen den Zuschauer dann ins Leere laufen. Sie pendeln zwischen radikaler Offenheit und totaler Verschlossenheit.
Thome: Die Offenheit ist meine Arbeitsgrundlage. Damit krieg’ ich die Leute, damit begeistere ich sie. Meine Offenheit führt dazu, dass sich die Schauspieler auch mir gegenüber öffnen. Und das ist für mich das Entscheidende: Ich hab beim Drehen eigentlich nur mit den Schauspielern zu tun. Alles andere machen meine Leute. Natürlich arbeite ich auch mit dem Team, aber so lang es da keine Katastrophen gibt, geht das alles von alleine. Sonst bin ich ja kein besonders toller Regisseur. Das war schon früher so: Klaus Lemke war der tolle Regisseur, der hatte eine Sonnenbrille wie Godard, und nach zwei Drehtagen dachten bei ihm alle, das wird der beste Film aller Zeiten.

Lemke war ein Poseur.
Thome: Sagen wir: Er hatte ein Auftreten, er hat Regisseur gespielt – und gut gespielt.

Sie haben keinen Hang zur Selbststilisierung?
Thome: Überhaupt nicht. Oder – na ja, ein ganz klein wenig. Ein Ding ist eben diese Offenheit.

Sie machen nicht nur in Ihren Filmen, sondern auch persönlich Ernst mit dem Privaten: Auf Ihrer Homepage veröffentlichen Sie nicht nur Interviews und Kritiken zu Ihren Filmen, sondern auch jeweils aktuelle Drehbuchnotizen, Betrachtungen zu Ihrer Gartenarbeit und intime Einblicke in euphorische und resignative Phasen.
Thome: Ich machte ein paar Mal den Versuch, damit aufzuhören – und bekam sofort E-Mails von Menschen, die ich nicht kenne, in denen ich inständig gebeten wurde, doch weiter zu schreiben. Das lesen eine ganze Menge Leute täglich.

Sie lieben es, mit Ihrem Publikum zu spielen – im Netz und im Kino.
Thome: Das ist es! Das ist der Sinn meiner Filme, das ist ihr Wesen: das Spiel mit dem Zuschauer.

Man hat das Gefühl, Sie machten exklusiv Filme über die Liebe.
Thome: Ich wehre mich dagegen immer ein bisschen und weise darauf hin, dass ich doch auch „Detektive“ und „Fremde Stadt“ gedreht habe.

Sogar das Buch, das über Ihre Arbeit demnächst erscheinen wird, heißt „Formen der Liebe“.
Thome: Ja, gut, aber das war deren Idee. Ich hatte früher Angebote, Drehbücher zu realisieren, in denen keine Frau vorkam: reine Männerfilme. Das lehnte ich kategorisch ab. Bei mir müssen Männer und Frauen vorkommen, sonst kann ich’s nicht. Oder nur Frauen: Das ginge auch. Die lesbische Szene in „Pink“, die ich beim Drehen super-erotisch fand, brachte mich auf diesen Gedanken. Da dachte ich, das könnte ich wirklich mal machen.

Was? Ein Lesben-Drama?
Thome: Ja, das würde all die extrem politisierten lesbischen Frauen wohl sehr schockieren. Die Provokation wäre in diesem Fall ja die, als Mann einen solchen Film zu drehen.

Zumindest: als heterosexueller Mann.
Thome: Schon Goethe hat doch gesagt, er sei halb Mann, halb Frau. Ich habe wohl auch einen starken weiblichen Anteil. Ich arbeite jedenfalls extrem gern mit Frauen.

Manche Kritiker bemäkeln die Innerlichkeit Ihrer Filme: immer bloß die Liebe! In Wahrheit ist Ihr Kino aber ganz äußerlich.
Thome: Ich kann gar nicht anders. Ich hab ja auch Filme nach den Drehbüchern anderer gemacht. Wo die Dinge also zumindest theoretisch anders laufen könnten.

Mögen Sie es denn, mit den Stoffen anderer zu hantieren?
Thome: Es ist leichter. Denn das selbst Geschriebene, das man doch verstehen sollte, ist für mich oft ein totales Rätsel. Ich halte auch meine Dialoge manchmal, wenn ich kurz vor der Aufnahme am Drehort stehe, für völlig verfehlt. Ich denke, das geht doch nicht, das ist grauenhaft, das kann kein Mensch sprechen. Aber die Schauspieler schaffen es meist doch, daraus noch was zu machen.

Wieso hadern Sie so mit den Dingen, die Sie selbst verfasst haben?
Thome: Fragen Sie mich was Leichteres! Ich bin mir beim Schreiben meiner selbst nicht recht bewusst. Das ist zwar nicht écriture automatique. Aber in den zehn ersten Tagen, in denen ich handschriftliche Notizen schreibe, programmiere ich mich selbst: Da schalte ich um vom normalen Menschen zum schreibenden Menschen. Mein Leitsatz war für mich immer eine Notiz von Albert Paris Gütersloh, der mich seit Jahrzehnten maßlos beeindruckt: „Der Schriftsteller, der sich zu schade ist, auch nur den geringsten seiner Gedanken niederzuschreiben, ist es nicht wert, ein Schriftsteller zu sein.“

Sie sind, trotz chronischer Finanzierungsschwierigkeiten, als Filmemacher ziemlich produktiv. „Pink“ ist bereits Ihr 26. Spielfilm, nahezu jährlich kommt eine neue Thome-Arbeit raus. Das ist erstaunlich.
Thome: Fassbinder hat viel mehr gemacht als ich.

Das ist wahr. Aber ist das Filmemachen nicht auch bei Ihnen fast schon eine Sucht?
Thome: Nein. Als Sucht würde ich das nicht bezeichnen.

Es würde Ihnen also genügen, nur alle drei Jahre einen Film zu drehen?
Thome: Das geht nicht. Da würde ich leiden. Aber das Drehen ist keine Sucht. Es ist eher motorisch: Ich muss was tun. Wenn ich nichts tue, geht’s mir nicht gut.

Das meine ich aber: Sie betrachten das Drehen als etwas Lebensnotwendiges.
Thome: Es ist der ganze Betrieb. Ich lebe ja fast wie ein Einsiedler – vor allem, seit ich wieder alleine bin. Aber ich bin gar nicht mehr besonders gern in der Stadt, die meiste Zeit lebe ich auf meinem Bauernhof, 80 Kilometer südlich von Berlin. Da kann ich immer was tun, jeden Tag – im Garten vor allem. Und wenn ich etwas getan habe, fühle ich mich befriedigt.

In Ihren Tagebüchern widmen Sie den Nacktschnecken in Ihrem Garten fast mehr Raum als Ihren Schauspielern.
Thome: Mag sein, aber diese Schnecken nerven wirklich unglaublich. Ich weiß überhaupt nicht, woher die kommen, ich hatte früher nie welche.

Ihr siebzigster Geburtstag naht. Ist das für Sie ein Problem?
Thome: Wieso? Was verstehen Sie denn unter Problem?

70 ist doch ein Lebensalter, vor dem manche ein wenig Angst haben.
Thome: Ach so, nein, ich sehe dem Älterwerden relativ gelassen entgegen; es fallen nur leider immer mehr Dinge aus. Bis 50, vielleicht noch bis 60, hat man körperliche Probleme, die alle nach einer Weile wieder verschwinden. Irgendwann aber beginnt man an Dingen zu leiden, die dann bleiben.

Ihre Filme allerdings weisen keinerlei Alterungsspuren auf. Sie scheinen keine Lust zu haben, in die Phase des Alterswerks einzutreten.
Thome: Ist das so? Dabei habe ich in der Zeit, als ich anfing, Filme zu machen, immer gesagt: Ich freue mich auf meine Alterwerke!
Das Gespräch führte Stefan Grissemann


(Eine längere Fassung des Interviews, schreibt mir Stefan Grissemann, wird in dem österreischen Wochenmagazin "Profil" erscheinen, vermutlich hofft er - wie ich auch - auf eine Thome-Retrosektive während der Viennale 2010. Aber vielleicht kennt er auch schon die Gedankengänge des Viennale-Chefs Hans Hurch)