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"Paradiso, sieben Tage mit sieben Frauen"

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Drehbuch


    Paradiso, sieben Tage mit sieben Frauen
   

© 1999 by Moana-Film GmbH


  1.
EVA WÜSTENBERG (36) sitzt an einem provisorischen Arbeitstisch und schreibt mit einem dicken schwarzen Filzschreiber auf ein Blatt Papier: “Eintritt verboten!” Auf der Tischplatte liegen Utensilien zum Zeichnen. Verschiedene Farbstifte, ein paar Lineale und Gartenbücher. Auf einem großen Gartenplan steht: “Gartenplan für die Familie Lamprecht - Architektin: Eva Wüstenberg”. Dann nimmt sie das Blatt Papier, löscht das Licht und geht aus dem Zimmer.

2.
EVA heftet das Papier mit Heftzwecken an die Tür zum Wohnzimmer.


3.
EVA deckt die Bettdecke ihres Sohnes THOMAS (13), der sich im Schlaf freigestrampelt hat, zu und gibt ihm einen Kuß. Er liegt auf einer Matratze.

4.
EVA gibt der schlafenden MARIA (11) einen Kuß. SYLIVIA dreht sich auf die andere Seite. Auch MARIA schläft auf einer Matratze.

DARÜBER DIE TITEL

5.
EVA legt sich im Schlafzimmer vorsichtig neben ADAM BERGSCHMIDT (59) ins Bett, um ihn nicht zu wecken. ADAM dreht sich zu ihr um. Wie spät ist es? EVA: Ein Uhr. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Bist du nervös?. ADAM: Ich habe Berenice und BILLY seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen. EVA küßt ADAM zärtlich. EVA: Ich bin bei dir und werde dich beschützen.

6.
BILLY BERGSCHMIDT (33) sitzt in seinem Wohnzimmer vor seinem Laptop und schreibt ein email an Joschka Fischer: “Lieber Joschka, es macht sicher Spaß zu regieren, glaube mir, ich kann das nachfühlen. Wir müssen den Krieg der Amerikaner beenden. Auch auf die Gefahr hin, daß du deinen Job verlierst. Wenn du da mitmachst, setzt du dich auf eine Stufe mit Milosovich, der auch nur den Krieg führt, um seinen Job zu behalten… Ich bin wahrscheinlich 7 Tage weg. Mein Alter feiert seinen 60. Geburtstag. Ich weiß noch nicht, ob ich das durchhalte. Ih habe ihn seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Meine Mutter hat mich bequatscht hinzufahren. Er wohnt in einem Haus am See irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Vielleicht macht es wenigstens meinen Kindern Spaß. Du weißt wie du mich kriegst.
Dein Sohn Billy

Darüber innerer Monolog (IM) von ADAM:
Du hast mir nie verziehen, daß ich dir den Namen Billy gegeben habe. Ich habe alle Hefte von “Billy Jenkins” gelesen, als ich ein Kind war und ich habe Billy Jenkins mit seinen stahlgrauen Augen bewundert. Ich gebe zu das war kindisch von mir. Ich habe damals, als ich deine Mutter geheiratet habe, nicht gewußt, was ein Name bedeutet.

7.
Schwester BERENICE (62) kniet vor einem kleinen Altar in Ihrer Zelle und betet laut: “Lieber Gott, bitte schenke mir die Kraft, den Anblick von Adam zu ertragen. Du weißt, daß ich ihn immer geliebt habe und vielleicht immer noch liebe. So genau weiß ich das nicht. Ich habe Angst davor, ihm zu begegnen… und noch etwas habe ich auf dem Herzen: Bitte beende diesen Krieg. Ich weiß, du kannst es. Laß dir etwas einfallen. Vielleicht kann Billy dir dabei helfen. Amen. Schwester BERENICE bleibt lange in ihrer Haltung, als ob sie auf eine Anwort warte.

IM ADAM:
Ich habe mich scheiden lassen, weil ich in der Welt sein wollte. Weil ich das Leben genießen wollte. Vielleicht auch, weil ich ein berühmter Künstler werden wollte. Da warst du mir im Weg. Wir waren damals beide zu jung zum Heiraten.

Zwischentitel: DER ERSTE TAG - DIE GESCHENKE

8.
ADAM BERGSCHMIDT sitzt in seinem Arbeitszimmer an seinem Computer. Im Zimmer steht ein Flügel. Um den Computer herum sind viele Zusatzgeräte aufgebaut: zwei Monitore, Festplatten, Tonapparaturen. Und eine Vase mit frischen Blumen. Auf dem Bildschirm die Uhrzeit: 4.37 Uhr. Er fragt seine email ab. Er hat mails von LULU und von LILITH: LILITH schreibt: Happy birthday! Ich freue mich schon sehr auf diese sieben Tage bei dir. Ich umarme dich. Lilith.
LULU schreibt: Happy birthday Adam!!!!!! Jetzt bist du 60 und noch immer ein toller Mann. Bald bin ich da. Ich küsse dich wie früher überall hin. Ich hoffe, ich bin die erste! Deine Lulu.

9.
ADAM steht in der Küche im Bademantel, trinkt Tee und wäscht dabei das dreckige Geschirr vom vergangenen Tag ab.

IM ADAM:
Eigentlich ist nichts anders als vorher. Ich hätte nie gedacht, daß ich so alt werden würde. Wenn ich jetzt sterben würde, niemand würde sich mit all meinen Sachen auskennen. Vielleicht meine Steuerberaterin. Ich muß versuchen, Ordnung zu machen. Ich brauche jetzt eine Zigarette.

10.
ADAM will ins Wohnzimmer gehen. Er sieht den Zettel “Eintritt verboten”. Er zögert, öffnet dann aber doch die Tür, nimmt kurz den feierlich gedeckten Geburtstagstisch wahr und steckt sich schnell, als tue er etwas Verbotenes, die Zigaretten und das Feuerzeug in die Tasche seines Bademantels.

11.
ADAM tritt in den Garten und zündet sich mit einem blauroten Feuerzeug, auf dem das Wort “Sehnsucht” steht, eine Zigarette an. Er raucht mit Genuß. Die Sonne geht langsam auf.

ADAM IM:
Ob ich mich freue, über das, was Eva mir schenken wird? Ihr Feuerzeug vom letzten Jahr benutze ich immer noch.

12.
ADAM gießt die Blumen und Pflanzen in seinem Garten. Er geht mit zwei Gießkannen zum See und füllt sie mit Seewasser.

IM ADAM:
Ich träume von einer Musik, die alles in sich enthält: die Natur, die Menschen, die Technik. Alle müßten es lieben, sie zu hören. Die Kids und die Bachfans.

13.
LULU (35) ist bereits feierlich angezogen. Sie frühstückt mit ihrem Freund JOSEPH (36) in der Küche einer Altbauwohnung. LULU: Du mußt noch mein Geschenk anprobieren. JOSEPH: Jetzt sofort? LULU: Ja. Ich muß gleich los. Ich will die erste in seinem Frauenpark sein. LULU holt aus einer Einkaufstüte eine seidene Unterhose. JOSEPH zieht den Bademantel aus und die Unterhose an. LULU: Das sieht schick aus. Könntest du sie mir in Geschenkpapier verpacken? Nimm das blaue und binde ein rotes Band drumrum. Das sind seine Lieblingsfarben. JOSEPH zieht die Unterhose wieder aus. Findest du das eine gute Idee, ihm eine Unterhose zu schenken? LULU: Klar. JOSEPH: Meinst du nicht, daß ich besser mitkommen sollte? LULU: Hast du Angst, daß ich dich betrüge? Außerdem bist du nicht eingeladen.

IM ADAM: Der Sex mit dir war immer gut. Bei dir war ich im Paradies. Jetzt habe ich mir mein eigenes Paradies gemacht.

14.
LUCIA (33) sitzt in ihrer kleinen Einzimmer-Appartment, dem man ansieht, das eine junge Frau alleine darin wohnt, am Klavier und singt dazu ein Lied, das sie für ADAM komponiert hat. Sie korrigiert sich ein, zweimal. Sie singt mit Hingabe.

15.
THOMAS (13), feierlich angezogen, kommt in den Garten: Papa, du kannst reinkommen! ADAM kommt gerade mit seinen Gießkannen vom See. ADAM: Ich bin gleich fertig. Ich komme sofort, Thomas.

16.
JACQUELINE (36), eine dunkelhaarige, schöne Frau, die einfach, aber sehr elegant angezogen ist, geht durch ihre Zweizimmerwohnung und überprüft, ob alles seine Ordnung hat, ob der Anrufbeantworter funktioniert, ob das Fax noch genug Papier hat. Dann nimmt sie ihren Koffer und verläßt die Wohnung.

17.
In ADAMS Wohnzimmer stehen EVA, THOMAS und MARIA vor dem feierlich gedeckten Tisch. Alle sechzig Kerzen brennen und singen sehr laut: Zum Geburtstag, lieber Adam, viel Glück! MARIA: Und jetzt mußt du alle Kerzen auf einmal ausblasen, Papa. ADAM: Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Er holt erst einmal tief Luft und beginnt zu blasen und er schafft es. Alle rufen: Bravo! Bravo! THOMAS: Und jetzt muß du die Geschenke auspacken!

18.
Schwester BERENICE, mit einem kleinen leichten Koffer und mit zwei Plastiktüten, steigt in ihren Zug.

19.
BILLY schleppt zwei Koffer und einen Kinderwagen und lädt sie in einen alten VW-Bus. KATHARINA (28), seine Frau kommt mit den Kindern. Zwei können schon selbst laufen, das jüngste hat sie auf dem Arm. KATHARINA: Jetzt fahren wir zu eurem andern Opa. (zu BILLY) Du mußt noch den Buggy und das Zelt holen. Hoffentlich ist es auf der Autobahn nicht so voll.

20.
BILLY fährt auf einer Landstraße. KATHARINA hinter ihm. Das Baby ist auf einem Babysitz. Dahinter die beiden größeren Kinder, PAUL und JUDITH. KATHARINA: Billy, du mußt mir versprechen, lieb zu sein. Meine Kinder sehen ihren “anderen” Opa heute zum erstenmal. Er ist immerhin dein Vater. BILLY: Ich werde mich anstrengen.

21.
ADAM packt ein großes Paket aus. Es ist das Geschenk von EVA. Es ist ein sündteurer italienischer Anzug. MARIA: Du mußt ihn sofort anprobieren. THOMAS: Ja sofort! EVA: Ich kann ihn umtauschen, wenn er dir nicht gefällt.
ADAM: Ich habe nichts an, kein Hemd und keine Unterhose. MARIA: Das ist doch egal. ADAM wirft einen Blick auf EVA, legt gehorsam den Bademantel ab und zieht, völlig nackt, den Anzug an. EVA: Ein wirklich guter Anzug muß auch auf nackten Männern gut aussehen. MARIA: Jetzt mußt du das Geschenk aufmachen. ADAM: Ist das von dir? MARIA: Ja. ADAM öffnet MARIAS Geschenk. Es ist eine lange Rolle. Darin ist ein Gartenplan mit Buntstiften gezeichnet, aber nicht mit Symbolen, sondern mit den realen Dingen: das Haus, die Bäume, die Wege, der Bootsteg und der See. Mittendrin ein Mann. Es erinnert an mittelalterliche Darstellungen des Paradieses. Darüber steht: “PAPAS WELT. Von Maria für Papa. Zum Geburtstag.” ADAM ist tief gerührt: Das ist wunderschön. Er umarmt MARIA: Danke, Schmetterling. THOMAS: Das ist mein Geschenk. ADAM öffnet das Päckchen. Es ist ein edler, in Leder gebundener Terminkalender für das Jahr 2000. THOMAS: Den habe ich von meinem Taschengeld gekauft. Er hat 120 Mark gekostet. Ich habe alle Tage, an denen wir keine Schule haben, reingeschrieben. ADAM blättert in dem Kalender. THOMAS: Damit du nie mehr vergessen kannst, uns zu besuchen, wenn wir Ferien haben.

22.
ADAM, MARIA und THOMAS fahren mit einem Ruderboot. THOMAS rudert.
ADAM: Was wollt ihr einmal werden, wenn ihr groß seid? THOMAS: Ich werde Komponist. ADAM: Das würde ich dir nicht raten. Und du, Schmetterling. MARIA: Architektin. Ich will für die Leute schöne Häuser mit schönen Gärten bauen.

ADAM IM: Ich wollte einmal Atomphysiker werden und die Weltformel entdecken.

23.
ADAM steht auf dem Bahnhof einer kleinen Stadt und wartet auf den Zug. Er raucht eine Zigarette. Der Zug kommt. Schwester BERENICE steigt aus. ADAM erkennt sie nicht. Sie geht auf ihn zu. BERENICE: Adam, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. ADAM weiß nicht, ob er sie umarmen oder ob er ihr nur die Hand geben soll. ADAM: Ich hätte dich nicht erkannt. BERENICE umarmt ihn und küßt ihn auf die Stirn. Du hast dich nicht verändert. ADAM: Ich dachte, daß du heute etwas anderes anziehen würdest.

24.
ADAM und BERENICE im Auto. Sie fahren durch das hügelige Gelände der Mecklenburgischen Seenplatte. BERENICE: Es ist schön hier. Ich freue mich auf diese Woche hier mit dir. ADAM: Soll ich dich erst zum Hotel bringen oder fahren wir gleich zu mir? BERENICE: Ich möchte deine Frau und deine Kinder kennenlernen. Ins Hotel kann ich immer noch. Beide schweigen und hängen ihren Gedanken nach.

IM ADAM: Wenn ich mit ihr zusammengeblieben wäre, dann wäre ich jetzt ein Musiklehrer in einer Schule und würde in fünf Jahren pensioniert.

25.
ADAM hält vor seinem Haus. THOMAS und MARIA kommen sofort angestürmt. ADAM steigt aus. Er bemerkt einen roten Porsche mit Berliner Kennzeichen. THOMAS: Lulu ist gekommen. MARIA: Ist das deine erste Frau? (und leise) Das ist ja eine Nonne. ADAM geht ums Auto und öffnet die Beifahrertür für BERENICE. ADAM: Berenice, das sind meine Kinder. Thomas und Maria. BERENICE gibt ihnen die Hand. Guten Tag, Maria. MARIA macht einen Knicks. BERENICE: Guten Tag Thomas. THOMAS: Guten Tag, Berenice.

26.
BILLY auf der Autobahn. PAUL (5), sein Ältester fragt: Papa, ist es noch sehr weit? BILLY: Nein. Noch ungefähr zwei Stunden. PAUL: Wie lange sind zwei Stunden? BILLY denkt nach. BILLY: So lange wie von zuhause zum Opa in Stuttgart. PAUL: Das ist noch sehr lange. KATHARINA: Versuch ein bißchen zu schlafen. Schau Judith schläft auch.

27.
JAQUELINE steigt aus ihrem Auto, holt ihren Koffer und geht auf den Eingang eine kleinen, ländlichen Hotels zu.

28.
JAQUELINE am Empfang. Für mich ist ein Zimmer reserviert. Ich bin Jaqueline Süß. PORTIER: Guten Tag, Frau Süß, es ist alles für Sie vorbereitet. Frau Wüstenber hat alles so für Sie arrangiert, wie Sie es wünschen. Wir freuen uns, Sie als Gast zu haben.

29.
ADAM betritt mit BERENICE das Haus.

30.
Er findet EVA und LULU in der Küche. LULU hat sich eine von EVAS Küchenschürzen umgezogen und hilft ihr beim Kuchenbacken. Beide verstehen sich prächtig. ADAM stellt die drei Frauen einander vor. Ihm ist nicht ganz wohl in seiner Haut. ADAM: Berenice, das ist Lulu, meine zweite Frau und das ist Eva, meine dritte - und letzte Frau. BERENICE gibt EVA und LULU die Hand. BERENICE zu EVA: Ihre Kinder habe ich draußen schon kennengelernt. Es sind ganz prächtige Kinder, die Sie da haben, Frau Wüstenberg.
LULU: Wollen wir uns nicht duzen? Dann geht alles ein bißchen einfacher.
THOMAS kommt in die Küche. Papa, die Leute mit dem Zelt sind da. Sie wollen wissen, wo sie es hinstellen wollen. ADAM: Ihr entschuldigt mich?

31.
ADAM zeigt den Leuten, wo sie das Zelt aufbauen sollen. Eine große Wiese unterhalb des Hauses, direkt am Wasser.

32.
BILLY, KATHARINA und die drei Kinder sind in eine kleine Privatpension eingezogen. BILLY: Ich denke, es ist am besten, ich fahre erstmal alleine hin und checke die Lage. Ich werde nicht lange bleiben. Eine Stunde vielleicht. KATHARINA: Wenn du meinst.

33.
ADAM mit EVA und LULU sitzen im Wohnzimmer und trinken Tee. LULU: Wer kommt denn eigentlich so alles? EVA: Die sieben wichtigsten Frauen seine Lebens. Mich eingeschlossen. BERENICE kommt ins Wohnzimmer und übergibt ihr Geschenk. ADAM packt es aus. Es ist ein Ölgemälde: eine dunkelfarbiges Frauengesicht, von tropischen Pflanzen umgeben an einem Fluß. Die Frau blickt den Betrachter an, als durchschaue sie alle Geheimnisse seines Lebens, liebevoll aber auch furchtbar. BERENICE: Ich habe es vor 7 Jahren von einem Guru, einer heiligen Frau, auf einer Indienreise, geschenkt bekommen. Ich liebe es sehr. ADAM ist beeindruckt. ADAM: Danke, Berenice. LULU: Beinah hätte ich mein Geschenk vergessen. Ich hole es sofort. Das Telefon klingelt. EVA hebt das Telefon ab: Wüstenberg, hallo? - Ja wo sind Sie denn genau? - Einen Augenblick bitte, ich schreibe es mir auf. EVA holt sich einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier. EVA: Adam kann in etwa einer Stunde bei Ihnen sein. Bis bald. EVA: Es ist Marion. Sie hat einen Autounfall und kann nicht weiterfahren. Du mußt sie an einer Autobahntankstelle abholen. LULU überrreicht ADAM ihr Geschenk. ADAM lächelt: Blau und Rot. Er öffnet das Päckchen. Es ist die seidene Unterhose. EVA und BERENICE gucken ein bißchen erstaunt. ADAM bedankt sich bei LULU: Die kann ich gut gebrauchen. Darin sehe ich sicher toll aus.

34.
ADAM hält auf dem Parkplatz einer Autobahntankstelle. MARION (34) steht mit ihrem Koffer neben einer Telefonzelle. ADAM geht zu ihr und küßt sie. MARION küßt intensiv zurück. MARION: Ich gratuliere dir zum Geburtstag. Das ist für dich. ADAM: Soll ich es gleich aufmachen? Was ist da drin? MARION: Du mußt es aufmachen. ADAM öffnet das ziemlich große Paket. Darin ist eine riesige Lamahaardecke. MARION: Eine Kuscheldecke, damit du nicht frierst, wenn du allein bist und es draußen kalt ist.

35.
ADAM und MARION im Auto. MARION: Glaubst du, deine Frau hat mir verziehen? ADAM: Sonst hätte sie dich nicht eingeladen.

36.
ADAM kommt mit MARION ins Wohnzimmer. Es ist jetzt voller Leute. JAQUELINE, LILITH und LUCIA sind da. Und BILLY, sein Sohn. ADAM geht zu EVA und stellt vor. ADAM: Das ist Marion. Und das ist Eva, meine Frau. EVA gibt MARION die Hand und mustert sie scharf. Erst nach einer langen Pause sagt sie: Guten Tag Marion. Ist Ihnen etwas passiert bei dem Unfall? Was macht ihr Auto? ADAM läßt die beiden allein und geht zu JAQUELINE. Er küßt sie zur Begrüßung auf den Mund. JAQUELINE: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. ADAM. Danke. JAQUELINE: Hier ist mein Geschenk. ADAM öffnet das Paket. Es ist eine kostbare Vase. JAQUELINE: Für deine Blumen. LILITH und LUCIA treten zu den beiden. BILLY bleibt im Hintergrund. Er fühlt sich sichtlich fehl am Platz. LUCIA gratuliert ADAM: Ich habe für dich ein Lied komponiert. Wenn du willst, kann ich es gleich singen. ADAM warum nicht? LILITH: Ich gratuliere dir auch herzlich zum Geburtstag. LILITH umarmt ADAM kräftig und gibt ihm ihr Geschenk. Es ist ein philosophisches Buch: Georg Picht, Kunst und Mythos. ADAM geht zu BILLY. ADAM: Du bist Billy? Sie geben sich zögernd die Hand. BILLY: Guten Tag, Adam. Auch von mir und meiner Frau alles Gute zum Geburtstag. ADAM: Danke. BILLY übergibt ADAM ein Päckchen. Es ist wieder ein Buch “Frieden für Europa. Ideen zur europäischen Politik im kommenden Jahrtausend” von Billy Bergschmidt. ADAM: Du hast das geschrieben? BILLY ist stolz: Ja. (Pause) Ich muß jetzt wieder gehen. Meine Frau ist mit den Kindern alleine im Hotel. ADAM: Schade. Ich begleite dich zum Auto.

37.
ADAM und BILLY stehen vor BILLYS VW-Transporter. ADAM: Bist du gut untergebracht? BILLY: Ja. ADAM: Ich bin sehr gespannt auf deine Kinder. BILLY: Sie sind mir wichtiger als alles andere im Leben. ADAM: Da bist du anders als ich. BILLY: Allerdings! BERENICE kommt vom See. BERENICE: Du hast es sehr schön hier, Adam. BILLY: Ich fahre jetzt zurück ins Hotel. BILLY umarmt und küßt seine Mutter zum Abschied. ADAM: Vielleicht kannst du morgen mit deiner Frau und deinen Kindern zum Frühstück kommen. BILLY steigt ins Auto: Vielleicht? BILLY fährt weg.

38.
Alle sitzen beim Abendessen. Die Stimmung ist durch Wein und Champagner schon etwas lockerer geworden. LULU, die neben BERENICE sitzt, sagt zu ihr: Ich wußte gar nicht, daß Nonnen auch Alkohol trinken dürfen. BERENICE: In Maßen. Auch Wein ist ein Geschenk Gottes. LULU: Du mußt mir mehr von dir erzählen. Ich habe noch nie mit einer Nonne gesprochen. EVA: Lucia, jetzt ist der richtige Augenblick für ein Lied. LUCIA steht auf und geht zum Klavier. Alle drehen sich zu ihr um. LUCIA spielt Klavier und singt ihr Geburtstagslied. Alle klatschen Beifall. LULU steht auf und geht zu LUCIA: Ich möchte auch ein Lied für Adam singen. Lucia, kannst du mich begleiten. LUCIA: Ich kann es versuchen. LULU singt ein sehr schönes, sehr melancholisches Lied.

DER ZWEITE TAG - DAS FEST

39.
BILLY kommt am Morgen mit KATHARINA und seinen Kindern. Sie steigen aus dem VW-Bus. ADAM kommt mit MARIA aus dem Haus. ADAM: Guten Morgen. Schön, daß ihr gekommen seid. Der Frühstückstisch ist schon gedeckt. BILLY stellt seine Frau und die Kinder vor. MARIA nimmt KATHARINA das Baby ab.

40.
Am Frühstückstisch. EVA: Es wäre schön, wenn wir euch öfter hier sehen könnten. KATHARINA: Eine so weite Reise mit drei kleinen Kindern ist halt immer beschwerlich. EVA: Trotzdem, ihr seid hier immer willkommen. THOMAS: Mama, darf ich aufstehen? Ich will Paul zeigen, wie man Fische angelt. EVA: Ja. BILLY: Ich wasche ab. EVA: Du bist unser Gast. BILLY: Keine Diskussion. EVA (lächelt): Ein sehr entschiedener junger Mann! Donnerwetter. BILLY stellt die Teller zusammen und geht in die Küche. ADAM bringt die Messer und die Tassen. ADAM: Ich würde gerne mit dir einen Spaziergang machen. Ist das Ok?

41.
Im Hotel. Alle Frauen sitzen am Frühstückstisch. LULU: Ich fahre. LILITH: Wir kommen später. JAQUELINE: Ich will mir erst noch ein bißchen die Gegend anschauen. MARION: nimmst du mich mit?

42.
LULU am Steuer. MARION sitzt neben ihr. LULU: Du bist also die Geliebte von Adam gewesen. Wie lange wart ihr denn zusammen? MARION: Fast ein Jahr. Seine Frau hat ihn damals gehaßt. LULU: Alle Frauen hassen ihre Männer manchmal. MARION: Ich habe dich schon oft im Film gesehen. Ich mag dich sehr. LULU: Ich mag dich auch. Wir müssen zusammenhalten.

43.
ADAM und BILLY gehen durch einen Wald. Die Sonne scheint durch die Bäume und ihre Strahlen verzaubern den Wald. BILLY: Am liebsten würde ich einen dicken Ast nehmen und dich windelweich prügeln. ADAM bleibt stehen: Dann nimm dir doch einen! BILLY zögert, hebt dann aber tatsächlich einen Ast vom Waldboden auf und geht auf ADAM zu. ADAM: Was hab ich dir getan? BILLY schlägt zu. ADAM wird am Kopf getroffen und geht zu Boden. Nach einer Weile rappelt er sich auf. Er faßt sich an den Kopf. Seine Hand ist voller Blut. Er sucht in seinem Jackett nach einem Taschentuch, um sich das Blut wegzuwischen. BILLY wirft den Ast weg und holt aus seiner Hosentasche ein Paket Tempotaschentücher. Er gibt es ADAM. ADAM wischt sich mit den Tempotaschntüchern das Blut weg. Er hat eine Platzwunde auf der rechten Backe. BILLY setzt sich neben ihn auf den Waldboden. BILLY: Sorry Alter, das mußte sein. ADAM: Du bist ein harter Bursche geworden.

IM ADAM: Wie Billy Jenkins.

44.
ADAM und BILLY kommen zurück zum Haus. Beide rauchen. BILLY: Ich finde diese ganze Veranstaltung hier absurd und eitel: alle deine Frauen einzuladen. Das ist wie eine Ausstellung deiner Männlichkeit. Du stellst dich aus und du stellst sie aus und damit auch bloß. Ich schäme mich für dich! ADAM: So haben wir das nicht gesehen. Eva und ich dachten eher an ein Familienfest. Immerhin bist du und deine Mutter gekommen und wir lernen uns jetzt kennen. BILLY: Was sagen wir den anderen. ADAM: Was hast du gedacht? Daß du mich geschlagen hast. ADAM und BILLY drücken ihre Zigaretten in einem Aschenbecher am Hauseingang aus und gehen ins Haus.

45.
ADAM und BILLY kommen ins Wohnzimmer. LULU und KATHARINA springen auf, als sie ADAM sehen. LULU: Um Gotteswillen, was ist passiert? ADAM: Keine Panik, es ist nur eine Platzwunde. Billy und ich hatten eine kleine Auseinandersetzung. Kannst du Verbandszeug holen?

46.
In der Küche sieht es chaotisch aus. Alles voller Töpfe, Teller, Flaschen, Einkaufstüten. EVA telefoniert. LULU kommt hereingerannt. LULU: Wo ist das Verbandszeug? EVA: Wieso? Was ist passiert? Etwas mit den Kindern. (ins Telefon) Ich rufe später zurück. Ich hab jetzt keine Zeit. EVA: Billy hat sich mit Adam geschlagen. Billy hat ihn verprügelt.

47.
Im Badezimmer. EVA: Du mußt dein Hemd auch ausziehen. ADAM zieht das blutige Hemd aus. EVA wäscht ihm sanft aber bestimmt die Wunde aus, holt aus einem Wandschrank ein Fläschchen Jod. EVA: Das tut jetzt weh, aber es muß sein. ADAM verzerrt das Gesicht und schreit laut: Auhh!! EVA: Tut mir leid. Sie küßt ihn. EVA: Habt ihr euch hinterher wieder vertragen?

48.
MARION baut am Strand mit MARIA und der kleinen JUDITH eine Riesensandburg.

49.
THOMAS und PAUL sitzen im Ruderboot draußen auf dem Wasser und angeln. THOMAS erzählt, daß er einmal einen Riesenhecht herausgeholt hat. PAUL ist sehr beeindruckt.

50.
Es ist Mittag. Alles ist still. Ein Wagen kommt die Auffahrt hochgefahren. ROLF SILBER (59) kommt mit seinem Wagen.

51.
EVA sieht ihn von der Küche aus. Sie ruft ins Wohnzimmer. Adam, dein Freund Rolf ist da.

53.
ADAM, mit einem dicken Pflaster am Kopf, und EVA begrüßen beide ROLF SILBER (59). ADAM umarmt ihn lange. ROLF: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtestag. Es ist schön, dich wiederzusehen. Was ist mit dir passiert? Habt ihr euch gestritten? EVA küßt ROLF auf beide Backen. EVA: Nein, diesmal bin ich unschuldig. ADAM: Mein Sohn Billy und ich hatten eine Auseinandersetzung. ROLF: Ausgerechnet heute an deinem Geburtstag. Naja, das heilt auch wieder. Wir werden trotzdem das beste daraus machen. ROLF geht zum Kofferraum seines Wagens und holt aus dem Kofferraum ein großes Paket. Er gibt es ADAM. ROLF: Vorsichtig damit umgehen. Es ist sehr zerbrechlich. ADAM: Was ist es? ROLF: Mach es auf. Sie gehen ins Haus.

54.
ADAM stellt das Paket auf den Wohnzimmertisch und öffnet es. Es ist eine Kiste mit Weinflaschen. ADAM öffnet die Kiste: Mouton Rothschild. Donnerwetter! ROLF: Jahrgang 1982!!! ADAM umarmt ROLF: Der Jahrgang, den wir bei der Premiere von “Paradiso” getrunken haben. Du bist verrückt. Du hast dafür ein Vermögen ausgegeben. ROLF: Man wird nur einmal im Leben sechzig. ADAM: Danke, Rolf. ROLF: Vielleicht trinkst du eine Flasche mit Billy. Zur Versöhnung. ADAM: Das weiß ich noch nicht.

55.
Am Abend. Im Festzelt ist ein riesiges Buffet aufgebaut. Etwa 50 Gäste sind da. Manche stehen am Buffet. Andere essen und trinken. Die Mitarbeiter eines Partyservice bedienen die Gäste. ADAM und EVA und die sechs anderen Frauen sitzen an einem Tisch. Außerdem ROLF SILBER. EVA klingelt mit einer Tischglocke. EVA: Rolf Silber, Adams bester Freund, möchte eine kleine Rede halten. Alle hören auf zu sprechen. Rolf steht auf, nimmt sein Weinglas und geht zu einem Stehpult mit einem Mikrofon. ROLF: Lieber Adam, ich bin froh heute hier zu sein. Ich wünsche dir von ganzem Herzen alles Gute zu deinem sechzigsten Geburtstag. Ich wünsche dir, daß du noch einmal so alt wirst, wie du jetzt bist. Nach langen Irrungen und Wirrungen hast du schließlich deine Eva, von der du von Anfang an geträumt hast, gefunden. Vielleicht hilft dir das. Alle klatschen Beifall.
ROLF: Was die Irrungen und Wirrungen angeht, kenne ich mich besonders gut aus. Denn so habe ich dich kennengelernt. Es war 1960 im Abiturjahr. Wir gingen beide in dieselbe Schule in einer kleinen Stadt in Bayern und wir waren beide bis über beide Ohren in das schönste und klügste Mädchen auf der ganzen Schule, in die blonde Sylvie, verliebt. Wir gingen beide mit vielen anderen Mitschülern nachhause. Sylvie ging mit einer Freundin vor uns. Ich habe dich damit aufgezogen. Dann hast du dich umgedreht und mir einen Kinnhaken gegeben. Ich bin zusammengeklappt wie ein Taschenmesser. Und du bist, als sei nichts passiert, weitergegangen. Sylvie hat dich erstaunt angesehen - das haben mir andere erzählt, denn ich war eine ganze Weile ohnmächtig - und hat sich in dich verliebt. Danach wurden wir Freunde und sind es bis heute geblieben. Ich will nicht mehr von Adams Leben erzählen, denn das ist kein Nachruf. Adam lebt und wird noch lange weiterleben. Das wüsche ich ihm und mir und uns allen. Vielen Dank fürs Zuhören. Auf dein Wohl!
ADAM geht zu ROLF und umarmt ihn. ADAM: Danke. Ich hatte die Geschichte mit Sylvie schon lange vergessen. ADAM (ins Mikrofon nach einer langen Pause): Jetzt habe ich ganz vergessen, was ich sagen wollte. Die Gäste lachen. (Pause) Im Bücherschrank meiner Eltern stand ein Buch mit dem Titel “Das Leben beginnt mit vierzig”. Ich fand das grotesk. Denn als Vierzehnjähriger dachte ich: mit vierzig ist man fast schon tot. Die Gäste lachen wieder. Jetzt sehe ich das ein bißchen anders. Die Zeit verändert alle Perspektiven. Nur das Bild, das man von sich selbst hat, bleibt erstaunlicherweise ziemlich unverändert. Ich will gar nicht mehr viel sagen, weil ich kein Redner bin. Ich möchte mich nur bei allen, die gekommen sind, bedanken. Habt Spaß! Ihr seid alle eingeladen zu einem Konzert, morgen in Berlin. Dort wird meine letzte Komposition, eine Sinfonie in D-Moll im Konzertsaal am Gendarmenmarkt uraufgeführt. Von hier wird um 15.00 Uhr ein Bus abfahren. Wer mitkommen will, kann einfach einsteigen. (Pause) Das ist alles, was ich sagen wollte. ADAM verbeugt sich und geht zurück zu seinem Tisch.
Draußen ist ein Gewitter aufgezogen. Es blitzt und donnert. Dann beginnt es zu regnen.

56.
ADAM steht mit BERENICE am Zelteingang und sieht in den strömenden Regen. BERENICE: Die Götter, an die du glaubst, sind auf deiner Seite. Mein Gott auch. Ich habe heute für dich gebetet. Aus dem Zelt kommt Tanzmusik. EVA tritt zu ihnen: Störe ich. BERENICE: Nein. EVA: Ich möchte mit dir tanzen. ADAM: Du weißt doch, ich kann nicht tanzen. BERENICE: Wir haben früher sehr viel miteinander getanzt.

58.
ADAM und EVA tanzen. LULU tanzt mit ROLF. BILLY tanzt mit KATHARINA. EVA ist glücklich.

59.
EVA setzt sich zu BERENICE. BERENICE: Ich möchte auch tanzen, aber dazu müßte ich etwas anderes anziehen. EVA: Du kannst was von mir haben. Wir haben ungefähr die gleiche Größe.

60.
Im Schlafzimmer. BERENICE zieht ihr Nonnenkleid aus. EVA holt ein paar Kleider aus dem Schrank. EVA: Ich habe hier nicht sehr viel. Fast alles ist in Berlin. BERENICE: Wohnt ihr nicht zusammen?. EVA: Nein. Leider. Adam braucht die Einsamkeit, um arbeiten zu können. BERENICE: Das ist schade. EVA: Finde ich auch. Aber ich habe mich dran gewöhnt. Probier das mal. BERENICE zieht das Kleid an und betrachtet sich im Spiegel. BERENICE: Das ist zu kühn. EVA: Es sieht dich doch keiner aus deinem Kloster. Es steht dir ganz wunderbar. BERENICE: Gott sieht alles. EVA: Der kann auch mal ein Auge zudrücken.

60.
BERENICE und ADAM tanzen im Zelt zusammen einen heißen Rock ‘n Roll. Auch ADAM macht das Tanzen Spaß.

61.
BILLY und KATHARINA sitzen in ihrem Wohnzimmer ihres Appatements vor dem Fernseher und sehen einen Bericht über den Krieg im Kosovo. KATHARINA: Billy, mach den Fernseher bitte leiser, Doris wacht sonst noch auf. Warum hast du deinen Vater geschlagen? BILLY: Es ist über mich gekommen. Ich konnte nicht anders. KATHARINA: Glaubst du, ihr könnt euch wieder versöhnen? BILLY: Jetzt schon.

62.
Adams Badezimmer. EVA versorgt ADAMS Wunde mit einer Wundsalbe und klebt ein neues Pflaster drauf. EVA: Auf Berenice war ich heute ein bißchen eifersüchtig. Gott sei dank ist sie eine Nonne. ADAM reibt sich den Rücken. ADAM: Mir tut der Rücken weh. EVA (schnippisch): Vielleicht hast du zu wild getanzt?!

DER DRITTE TAG — DAS KONZERT

63.
Das Gewitter vom Vorabend ist vorbei. Die Sonne strahlt. Die Natur ist wie neugeboren. Neben dem Zelt ist ein Frühstück aufgebaut. MARIA und EVA gehen herum und gießen Tee oder Kaffee ein.

64.
ADAM sitzt mit BERENICE, die wieder als Nonne angezogen ist, auf dem Bootssteg. MARIA kommt. MARIA: Tee oder Kaffee? ADAM: Berenice trinkt Tee. Ich trinke heute Kaffee, denn ich habe einen Kater. MARIA: Papa, du sollst nicht soviel Alkohol trinken! Sie schenkt ein. ADAM: Du machst das ganz wunderbar, Schmetterling. Was würde ich bloß ohne dich machen. MARIA lächelt glücklich und geht. BERENICE: Du hast dich sehr verändert, Adam. ADAM: In welcher Hinsicht? BERENICE (denkt nach): Du bist menschlicher geworden. Du denkst auch an andere. Das ist schön. ADAM: Vielleicht ist das die Altersweisheit, von der ich früher immer geträumt habe.

65.
ADAM macht in der Küche den Abwasch. LULU trocknet ab. LULU: Du verstehst dich gut mit Berenice.

66.
Der Bus ist da. Die Gäste steigen in den Bus.

67.
Im Bus. Auf der Autobahn. ADAM spricht in das Mikrofon des Busfahrers: Liebe Gäste, wenn einer irgendetwas zu essen oder zu trinken haben möchte. Es ist für alles gesorgt. Es gibt Champagner, Wein, Coca Cola für die Kinder. Heute ausnahmsweise, Sprudel, Apfelsaft und jede Menge belegte Brötchen. ADAM setzt sich wieder auf seinen Platz neben EVA. EVA: Ich bin glücklich. Ich liebe dich.

68.
ROLF SILBER sitzt neben LUCIA. Sie trinken Champagner. ROLF: Auf Ihre neue CD! LUCIA: Wir wollten uns doch duzen. ROLF: In meinem Beruf duzt sich niemand. Es fällt mir schwer, mich umzugewöhnen. Ihr seid ein lustiges Künstlervolk. LUCIA: Was ist dein Beruf? ROLF: Ich bin Bankdirektor. LUCIA: Vielleicht kann ich bei dir ein Konto aufmachen. Ich brauche immer Geld. ROLF: Darüber können wir reden. LULU, die in der Reihe vor ihnen sitzt, dreht sich um. LULU: Das ist ja toll. Ich habe seit einem Jahr Ärger mit meiner Bank. Ich will auch ein Konto bei dir!

69.
BILLY sitzt neben MARION. BILLY: Als ich sechzehn war, habe ich angefangen, gegen den Staat zu kämpfen. Ich war bei jeder Hausbesetzung, bei jeder Demo dabei. Jetzt bin ich selber der Staat und kämpfe für Gerechtigkeit und für den Frieden. MARION: Und gegen deinen Vater! BILLY: Mir tut das leid. Es war ein Rückfall in atavistische Verhaltensweisen. BILLY ist echt zerknirscht. MARION streichelt ihn. MARION: Du mußt versuchen, ihn zu verstehen. BILLY lächelt MARION an: Du bist eine tolle Frau. Du gefällst mir sehr. MARION: Du mir auch. Ich hoffe, du wirst einmal Bundeskanzler.

70.
MARIA und THOMAS sitzen in der letzten Reihe des Busses. BERENICE sitzt neben ihnen. Sie spielen “Ich sehe was, was du nicht siehst” und geraten in Streit. BERENICE: Vertragt euch. Bald sind wir da. Wer will eine Cola? Beide wollen eine Cola und vergessen den Streit.

71.
Der Bus hält auf dem Gendarmenmarkt. ADAM steigt als erster aus und gibt jedem Gast eine Eintrittskarte. LULU: Ich bin so gespannt. Ich habe jede CD von dir.

72.
Im Konzertsaal. Das Orchester spielt die letzten Takte von ADAMS Sinfonie. Der Saal ist voll bis auf den letzten Platz. ADAM sitzt neben EVA in der ersten Reihe und ist nervös. Das Publikum klatscht begeistert. Der DIRIGENT bittet ADAM, auf die Bühne zu kommen. ADAM steht auf und geht zu ihm. Das Publikum steht auf und der Beifall wird noch stärker. ADAM steht da und wartet darauf, daß sie mit dem Klatschen aufhören. Aber das Publikum hört nicht auf zu klatschen, sondern steht auf und steigert sich in Extase. ADAM kann es nicht fassen. Tränen laufen ihm übers Gesicht.

DER VIERTE TAG - SPAZIERGANG IN DIE VERGANGENHEIT

73.
Frühstück im Haus am See. BILLY sitzt neben ADAM an einem Gartentisch. BILLY: Deine Musik hat mir gut gefallen gestern. ADAM: Das freut mich sehr, Billy. BILLY: Ich habe noch nie etwas von dir gehört, obwohl ich früher auch Musik gemacht habe. (BILLY lächelt dabei) Irgendetwas werde ich ja wohl auch von dir geerbt haben. Meine Freundinnen haben mir immer wieder von deiner Musik erzählt. Aber ich wollte nichts davon wissen. Du bist echt gut! Ich hätte das nicht von dir erwartet. THOMAS kommt zu den beiden. THOMAS: Papa, können wir heute zu den Schlangen fahren. Ich will für Paul eine fangen. ADAM: Da muß ich erst mit deiner Mama reden. Ich weiß noch gar nicht, was für heute geplant ist. THOMAS: Papa, ich möchte so gerne!

74.
ADAM, EVA und die Gäste wandern, bepackt mit Picknick-Utensilien, auf einer schmalen, halbkaputten Asphaltstraße. BILLY schiebt den Kinderwagen mit der kleinen Doris. KATHARINA den Buggy mit JUDITH. Links und rechts die verfallenden Gebäude einer ehemaligen russischen Militärbasis. ADAM (zu seinen Gästen): Als ich das Haus am See gekauft habe, waren hier noch russische Soldaten. Alles war durch eine Mauer abgesperrt. Keine Maus kam da durch. LULU: Was wollen die hier mal machen? ADAM: Nichts. Die haben kein Geld dafür. EVA: Es ist ein Paradies für Pflanzen und Tiere - und für Thomas. ROLF: Wir suchen ein Gelände für einen neuen Disneypark in der Nähe von Berlin. EVA: Bitte nicht. Das mußt du mir versprechen. Sonst mußt du auf der Stelle umdrehen und wieder nachhause fahren! ROLF: Ich habe nur laut gedacht. Okay, Eva. Ich verspreche es.

IM ADAM (denkt leise):
Wenn es mir gelänge die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft in einer Musik zusammenzukriegen. Das wäre es. Dann könnte ich aufhören. Ich darf das nicht vergessen. Ich muß mir einen Knoten im Gedächtnis machen. Darüber will ich weiter nachdenken.

75.
Die Straße führt jetzt durch eine Landschaft mit hohen Sanddünen. Überall wachsen Kiefern und Birken. LILITH fragt ADAM: Hast du mal in das Buch reingeguckt? ADAM: Nein. LILITH: Das solltest du. Sein Thema ist die Zeit. Er überblickt die gesamte Geschichte der europäischen Philosophie von Platon bis Heidegger und alles, was die einzelnen Philosophen gedacht haben, unter dem Aspekt der Zeit. Ich habe das Buch wie einen Krimi gelesen. Ich habe angefangen und konnte nicht mehr aufhören. Dann wollte ich mehr davon. Seine Art zu schreiben und zu denken, das ist wie eine Droge. Und dann habe ich mir alle seine Bücher gekauft. Wenn er nicht schon tot wäre, würde ich ihn auf der Stelle verführen und heiraten.

76.
Neben einem dichten Gebüsch aus Schlehen, zwischen zwei Dünen, ist auf einer Decke das Picknick ausgebreitet. Darüber ein Sonnenschirm. Alle essen und trinken. ADAM: Eva, du bist wunderbar! Deine Picknicks sind einmalig. LULU (kauend): Finde ich auch. MARION: Wo ist eigentlich Billy? KATHARINA: Schlangenfangen mit den Kindern. Er hat das als kleiner Junge auch gemacht. ADAM: Ich auch. Ich hatte im Garten im Frühbeet ein Terrarium mit Eidechsen, Blindschleichen und Ringelnattern. LILITH: Das scheint eine Erbanlage zu sein. Gottseidank habe ich dich nicht geheiratet. Ich habe vor Schlangen Angst. LULU und JACQUELINE gleichzeitig: Ich auch.

IM ADAM:
Komisch, alle Frauen, die ich kenne, haben Angst vor Schlangen. Ob das etwas mit der Bibel zu tun hat? Oder mit Freud?

77.
THOMAS hat bei einem zerfallenden Gebäude, zwischen den Steinen eine sich sonnende Ringelnatter entdeckt. THOMAS: Pscht! Ich hab eine. PAUL und BILLY schleichen sich vorsichtig an. BILLY: Wir müssen versuchen, sie vom Haus wegzukriegen. Im Sand kann sie sich nicht verstecken. Ihr müßt warten, bis ich im Haus bin. Okay? Ich komme von hinten.

78.
BILLY schleicht sich gewandt wie ein Indianer durch die Trümmer im Gebäude. Er findet den Ausgang direkt hinter der sich sonnenden Schlange. Er macht den Kindern ein Zeichen, sich nicht zu bewegen und bewegt sich vorsichtig, fast wie in Zeitlupe vorwärts. Er berührt einen losen Stein. Der Stein fällt. Die Schlange versucht, zu fliehen. BILLY macht einen Hechtsprung und hat sie. THOMAS: Hast du sie? BILLY: Ja. Kommt schnell! THOMAS und PAUL rennen zu BILLY. BILLY: Wer will sie? THOMAS: Ich! Ich hab sie zuerst gesehen.

79.
THOMAS, PAUL und BILLY kommen zurück zu den anderen. THOMAS trägt stolz die Schlange. JACQUELINE: Seid ihr auch sicher, daß die nicht giftig ist? BILLY: Sonst hätte sie uns längst gebissen. EVA: Wer hat sie gefangen? PAUL (stolz): Mein Papa!

IM ADAM:
Billy ist wie ich. Das habe ich nicht erwartet. Er gefällt mir. Er ist so männlich. Er ist verantwortungsvoll und gleichzeitig wie ein kleiner Junge. Alle Frauen lieben ihn bestimmt. Denn das ist genau das, was sie suchen. Hoffentlich wird Thomas auch einmal so.

80.
THOMAS zeigt MARIA die Schlange. MARIA nimmt sie und legt sie sich um den Hals. Sie hat keine Angst. JUDITH läuft zu ihrer Mutter.

DER FÜNFTE TAG — EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT

81.
In der Mitte eines kleinen Dorfes ist neben dem großen Dorfteich ein Zelt aufgebaut. Es gibt eine Schiffschaukel, eine Schießbude, eine Hüpfburg und einen Stand, wo Bier ausgeschenkt wird. ADAM und EVA und ihre Gäste spazieren mit den Kindern durch die Menschenmenge in das Zelt. Dort tritt ein ZAUBERER auf. ADAM bezahlt für alle den Eintritt bei der ASSISTENTIN (25) des ZAUBERERS. Der ZAUBERER trägt einen Zylinderhut: Wer von euch will mir assistieren. MARIA meldet sich sofort. ZAUBERER: Komm her. Wie heißt du? MARIA strahlt: Maria. Der ZAUBERER zeigt den Trick mit den verknoteten Seidentüchern. Wenn er Abacadabra sagt und mit den Fingern schnippst, dann sind immer die Tücher verknotet, von denen alle gerade noch gesehen haben, daß sie nicht verknotet sind.

82.
Etwas später sitzt der ZAUBERER an einem Biertisch mit ADAM, EVA, LULU, BERENICE, JACQUELINE, MARION und ROLF. Er hat sein Kostüm ausgezogen und trägt ein kurzärmiges T-Shirt. Er zeigt den Trick mit den 3 kleinen Würfeln. Auch die Würfel sind immer in der Faust, in der sie nicht sein sollten. ADAM ist begeistert, kann, das, was er direkt vor seinen Augen sieht aber nicht glauben. ADAM: Wie ist das möglich? ADAM guckt noch genauer als vorher, was der ZAUBERER mit seinen Händen macht. Der ZAUBERER zeigt nocheinmal in welcher Hand er welche Würfel hat. Er macht es für alle nachvollziehbar in Zeitlupe. Er legt seine beiden zu Fäusten geballten Hände vor sich auf den Biertisch. ZAUBERER: Wo sind die Würfel jetzt? ADAM hat ganz genau gesehen, daß in der rechten Hand ein Würfel und in der linken Hand zwei Würfel sind und sagt das. Alle anderen bestätigen das, denn sie haben dasselbe gesehen. Der ZAUBERER zögert einen Augenblick und öffnet die rechte Faust. Sie ist leer. LULU: Das kann nicht sein. Dann knallt der ZAUBERER die rechte Faust auf den Tisch. Auf dem Tisch liegt ein dicker Würfel, so groß, daß er kaum in die geschlossene Faust gepaßt hat. ADAM: Das ist unmöglich! ROLF: Das müssen Sie den Leuten in meiner Bank vorführen. Haben Sie ein Visitenkarte? Der ZAUBERER hat eine und gibt sie ROLF. ADAM nimmt den Würfel in die Hand und untersucht ihn. Alle klatschen begeistert.

83.
ADAM und EVA schauen, wo die Kinder sind. Sie finden sie in der Hüpfburg. LULU kommt dazu. LULU: Es gibt eine Wahrsagerin. Sie liest die Zukunft aus den Karten. Sie hat alles über mich gewußt. Du mußt das machen, Adam. Ich schenke dir das noch nachträglich zu deinem Geburtstag.

84.
ADAM sitzt bei der WAHRSAGERIN. Vor ihm liegen Tarotkarten. Er dreht eine um. WAHRSAGERIN: Sie sind ein großer Künstler, vielleicht ein Dichter oder ein Filmregisseur. Der Höhepunkt Ihrer Karriere liegt noch vor Ihnen. Ihr Leben wird sich noch sehr verändern. Sie glauben, Sie hätten alles erreicht. Aber es kommt noch etwas ganz Neues, etwas mit dem Sie nicht gerechnet haben, auf Sie zu. Die WAHRSAGERIN versinkt in tiefe Konzentration. WAHRSAGERIN: Richtig berühmt werden Sie erst nach Ihrem Tod. Aber vorher verändert sich etwas in Ihrem Familienleben. Vielleicht begegnen Sie einer anderen Frau? Aber ich sehe auch, daß Ihre Frau sie sehr liebt. Mehr will ich nicht sagen. Die WAHRSAGERIN versinkt wieder in tiefes Nachdenken.

IM ADAM:
Ich glaube ihr nicht. Ich glaube nichts. Und schon gar nicht, daß man die Zukunft aus Karten lesen kann. Das ist alles Hokuspokus. Aber sie macht ihren Job gut. Fast so gut wie der Zauberer. Der hat mir gefallen. Wenn die Zukunft jetzt schon sichtbar wäre, dann wäre ja alles determiniert. Ich glaube an die freie Entscheidung jedes Menschen.

85.
LULU und EVA warten vor dem Zelt der WAHRSAGERIN auf ADAM. EVA: Glaubst du wirklich, daß man die Zukunft voraussagen kann. LULU: Nein, aber es ist ein schönes Spiel. ADAM kommt aus dem Zelt. Er wirkt ein bißchen verwirrrt. LULU: Na, was hat sie gesagt? Hat sie recht gehabt. ADAM: Sie hat gesagt, daß ich erst nach meinem Tod berühmt werde. Mir tut mein Rücken weh. EVA: Geh zu Jacqueline. Die kann dir helfen.

86.
ADAM fährt mit EVA und den Kindern nach Hause. Bei den Kindern sitzt LULU. ADAM reibt sich während des Fahrens den Rücken. EVA: Soll ich fahren? ADAM: Es geht schon. EVA: Du solltest wirklich mit Jacqueline reden. Mir hat sie auch geholfen. Sie weiß mehr über dich und deinen Körper, als du dir vorstellen kannst. ADAM: Ich glaube nicht an alternative Heilmethoden. Wenn es schlimmer wird, dann lasse ich mir eine Spritze geben. LULU: Es gibt mehr Dinge über Himmel und Erde als wir uns das vorstellen können.

IM ADAM:
Du hast schon immer einen Hang zum Übersinnlichen gehabt. Ich glaube nichts, außer an das, was ich mit meinen eigenen Augen sehe. Ich stehe mit beiden Beinen auf der Erde.

87.
In ADAMS Arbeitszimmer. JACQUELINE macht mit ADAM Feldenkraisübungen. Sie bewegt seine Arme. JACQUELINE: Ich tu dir nichts. Du mußt nichts tun. Einfach loslassen. Laß doch mal die Muskeln locker. Sie sind total angespannt. Sie demonstriert es ihm. JACQUELINE: Es tut doch nicht weh. ADAM schließt die Augen und versucht, sich zu entspannen. JACQUELINE: Jetzt ist es schon besser. Sie bewegt seinen Arm. JACQUELINE: Spürst du das? ADAM: Ja. ROLF SILBER kommt ins Zimmer: Entschuldigt bitte, daß ich euch unterbreche. Aber ich will mich verabschieden. Ich muß wieder zurück in die Firma. ROLF umarmt ADAM kräftig. ROLF: Was macht dein Rücken? Es war schön, Dich wiederzusehen.

88.
BILLY sitzt mit den anderen Gästen im Wohnzimmer und sieht die Abendschau mit dem neuesten Nachrichten vom Krieg im Kosovo.

DER SECHSTE TAG — DIE PAPPELN

89.
Es ist noch dunkel draußen. ADAM sitzt an seinem Computer, fragt nach seiner email und liest ein bißchen in seinen Newsgruppen. Dabei trinkt er aus einer großen Tasse seinen Morgentee. Er steht auf, holt aus einer Schublade einen Hammer und Nägel. Er schlägt den Nagel vorsichtig direkt über dem Monitor in die Wand. Dann hängt er das Berenices Bild dort auf. Er beleuchtet das Bild mit seiner Schreibtischlampe und sieht es lange an. Dann setzt er sich an den Computer und schreibt eine email an seinen Sohn: Hallo Billy, ich werde heute eine Flasche Mouton Rothschild aufmachen und möchte sie morgen mit Dir trinken. Ist das OK?
Dein Vater.
ADAM liest den Text, löscht die Unterschrift “Dein Vater” und schreibt stattdessen “Adam”.

90.
BILLY sitzt im Wohnzimmer an seinem Laptop. Während er im Netz ist, kommt die email seines Vaters. Er öffnet sie und antwortet sofort: “Einverstanden! Billy.”

91.
ADAM und THOMAS gehen mit zwei Gießkannen zum See und holen Wasser für den Garten. THOMAS: Papa, wenn du tot bist, gehört das Haus und alles einmal mir! ADAM: Nein, dir und Maria und Mama. Und auch Billy, den er ist auch mein Sohn. Nur wenn ich in mein Testament etwas anderes schreibe. Dann gilt das, was da drin steht. THOMAS: Papa, was ist ein Testament? ADAM: Das ist ein mit der Hand geschriebener Brief, wo ganz genau drin steht, wer was bekommt, wenn man stirbt. THOMAS: Hast du so einen Brief schon geschrieben. ADAM (lacht): Du willst es aber wirklich genau wissen. Nein. Ich habe bisher nie daran gedacht.

92.
Ein LKW kommt die Auffahrt hochgefahren und hält vor dem Haus. Der FAHRER steigt aus. FAHRER: Hallo, ist da jemand? ADAM und THOMAS gehen zu ihm. FAHRER: Ich soll hier sechzig Bäume liefern. Wo soll ich sie hinstellen? ADAM: Sechzig Bäume? Sind Sie sicher, daß Sie hier richtig sind? FAHRER: Die Bäume sind für Adam Bergschmidt. ADAM: Das bin ich. Was sind das für Bäume? FAHRER: Es sind Pappeln. ADAM geht ins Haus. BILLY schaut dem FAHRER beim Entladen zu.

93.
ADAM geht ins Haus. Er geht ins Schlafzimmer. EVA schläft noch. ADAM weckt sie sanft. Sie umarmt ihn und zieht ihn ins Bett. EVA: Das ist eine schöne Überraschung. Komm zieh dich schnell aus, bevor die Kinder aufwachen. ADAM: Das geht jetzt nicht. Draußen ist ein LKW mit sechzig Pappeln. Hast du die bestellt? Du magst doch keine Pappeln. Man hört LULU im Haus rufen: Adam! EVA! Seid ihr schon wach?

94.
ADAM begrüßt LULU mit einem Kuß. LULU: Die Pappeln sind ein Geschenk von mir. Sechzig Stück. Eine für jedes Lebensjahr. Statt Geburtstagskerzen habe ich mir gedacht. Sie sollen dein Haus auch noch von der Landseite vor dem Wind schützen. Entschuldige, ich wollte schon vor dem Lastwagen da sein. ADAM: Danke Lulu. Das ist ein tolles Geschenk!

95.
Beim Frühstück macht EVA einen Plan, wie man die Pappeln pflanzen könnte. ADAM: Ich muß da erst mal mit dem Bauern reden, dem ich den Acker verpachtet habe. Wir können die Pappeln nicht einfach so einpflanzen. Auch wenn der Grund mir gehört. LULU: Was könnte er dagegen haben. Auch seine Kartoffeln wachsen besser, wenn sie vom Wind geschützt sind. ADAM: Ich rufe ihn nach dem Frühstück an.

96.
ADAM sitzt in seinem Arbeitszimmer und telefoniert. Herr Bergmann, bitte verstehen Sie mich. Eine gute Freundin hat mir die sechzig Pappeln zum sechzigsten Geburtstag geschenkt. Ich kann sie nicht einfach wegschmeißen. BERENICE klopft an und tritt ins Zimmer. Sie sagt leise: Du hast mein Bild aufgehängt! ADAM macht ihr eine Geste, sich zu setzen. BERENICE sieht sich neugierig um. ADAM: Herr Bergmann, ich reduziere die Pacht um fünfzig Prozent. Schlagen Sie ein. - Danke Ihnen. Auf Wiedersehen. ADAM legt auf und wendet sich BERENICE zu. BERENICE: Das ist also deine Mönchszelle. ADAM: Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich einer. BERENICE: Du bist mir noch immer sehr vertraut. Als ob all die Jahre dich nicht verändert hätten. BERENICE steht auf und betrachtet die anderen Bilder in ADAMS Zimmer: Skizzen von ihm, einen Gartenplan von EVA und Bilder, die seine Kinder gemalt haben. BERENICE: Glaubst du an eine unveränderliche, unzerstörbare Seele. ADAM steht auch auf. ADAM: Ich habe darüber nicht nachgedacht. BERENICE: Es gibt sie. Ob du es willst oder nicht. Die Frau auf dem Bild kann sie dir zeigen. Du mußt nur ihre Augen anschauen. Ich habe in all den Jahren jede Platte, jede CD von dir gekauft. Ich kenne deine Musik vielleicht so gar besser als du selbst. Du bist ein Meister in deiner Kunst. Aber deine Musik könnte noch besser werden. Ich habe dir das Bild geschenkt, obwohl ich es liebe, damit du dich veränderst. Die Frau auf dem Bild könnte dein Führer werden in eine neue Dimension deiner Arbeit. ADAM schaut das Bild an. ADAM: Du liebst mich immer noch, Berenice. BERENICE: Anders als früher. Vielleicht gelingt dir das auch. ADAM: Du bist wirklich eine Heilige geworden.

97.
Im Wohnzimmer. BILLY sitzt am Eßtisch. ADAM kommt herein mit einer der Mouton Rothschildflaschen und einem großen Glaskrug. Er stellt beides vorsichtig auf den Tisch und entkorkt die Flasche fast zärtlich. ADAM: So ein Wein muß mindestens vierundzwanzig Stunden atmen, bevor man ihn trinkt. Hast du sowas schon mal getrunken? BILLY: Nein. Ich trinke fast nie Wein. ADAM: Warte ab. So ein Wein ist eine Offenbarung. Er ist wie ein Kunstwerk. BILLY: Du verstehst viel vom Wein. ADAM: Zu viel. Eigentlich bin ich ein Alkoholiker. BILLY: Hoffentlich werde ich keiner, wenn ich davon trinke. Joschka trinkt auch gerne Wein. ADAM: Ist er dein Freund? BILLY: Mehr. Er ist mein Vater. Nicht mein richtiger, denn das bist du. Aber er hat sich immer um mich gekümmert.

98.
Der Himmel hängt voller dunkler Wolken. ADAM und BILLY, mit Spaten, die sieben Frauen mit den jungen Pappeln, marschieren auf den Hügel hinter ADAMS Haus. Es sieht aus wie eine feierliche Prozession. Alle tragen Jeans (auch BERENICE).

99.
THOMAS, PAUL und MARIA rollen einen langen Schlauch aus und legen ihn quer über den Acker auf den Hügel, wo ADAM und BILLY mit dem Ausheben der Pflanzlöcher begonnen haben.

100.
BERENICE kommt mit einer Schubkarre voll Komposterde zu BILLY. BERENICE: Du machst das, als hättest du in deinem ganzen Leben nichts anderes gemacht. BILLY: Es macht mir Spaß, für Papa zu arbeiten. BERENICE gibt ein paar Schaufeln Kompost in das Loch, das BILLY gegraben hat. BERENICE: Du hast Papa gesagt. BILLY (ruft): Thomas! Wir brauchen Wasser. THOMAS kommt mit dem Schlauch, dreht das Ventil auf und läßt das Wasser in das Pflanzloch fließen. BILLY: Das reicht. LULU reicht BILLY die Pappel und BILLY setzt sie in die Erde. JACQUELINE und LULU schaufeln Erde in das Loch. BILLY holt einen Pfahl und schlägt ihn mit einem großen Hammer neben der frisch gepflanzen Pappel in die Erde. LULU bindet die Pappel an den Pfahl.

101.
BERENICE kommt mit ihrer Schubkarre zu ADAM, der ein neues Pflanzloch ausgehoben hat und gibt ein paar Schaufeln Kompost hinein. ADAM: Billy ist ein guter Arbeiter. Du hast einen tollen Mann aus ihm gemacht. BERENICE: Das hat Billy selbst gemacht. Ich habe ihm nur am Anfang geholfen. So gut ich konnte. LILITH kommt dazu mit einer Pappel. LILITH: Wir sind alle deine Sklaven. ADAM: Du mußt nicht mitmachen. LILITH: Ich will aber. Ich bin gerne deine Sklavin. ADAM schaut sie verwundert an. ADAM: Ich bin unschuldig. Das hier hat mir Lulu eingebrockt.

102.
Alle Pappeln sind eingepflanzt. BILLY, ADAM und die sieben Frauen marschieren durchgeschwitzt zum Haus zurück. Sie schauen zurück auf ihre Arbeit. ADAM: Bäume pflanzen ist etwas ganz besonderes. Das, was man tut, wirkt sich erst in vielen Jahren aus. Bäume wachsen langsam. EVA: Zumindest nicht so schnell wie Menschen. LULU: Pappeln wachsen schnell. Du wirst es sehen. Achtzig Zentimeter pro Jahr.

103.
Es ist später Nachmittag. Alle sitzen um ein großes Lagerfeuer am Strand. Sie essen und trinken. LULU: Was für ein Tag! Adam du lebst im Paradies. So wie der in der Bibel. Wie hast du das bloß geschafft. BERENICE (leise): Der liebe Gott hat ihm geholfen.

DER SIEBTE TAG - DIE VERSÖHNUNG

104.
ADAM kommt mit mehreren großen Tüten in die Küche. LULU ist auch schon da. Sie küßt ihn zur Begrüßung auf den Mund. ADAM leert den Inhalt von zwei Papiertüten auf den Tisch: Brötchen, Croissants und Brezeln. LULU kocht Kaffee für alle. LULU: Ich habe heute Nacht mit dir geschlafen. Im Traum. Aber ich hätte Lust, es wirklich zu tun. ADAM legt die Brötchen und Croissants und Brezeln in große Körbe. ADAM: Vergiß nicht, ich bin verheiratet. LULU: Mit mir warst du auch verheiratet. Wir könnten es alle sieben mal mit dir versuchen. Ich hätte da nichts dagegen. Ich glaube, einige andere auch nicht. ADAM: Du bist von allen guten Geistern verlassen. Zuerst die Pappeln und jetzt das. Bändige deine Phantasie! LULU: Ich versuche es schon. Aber dafür würde ich noch ein paar Tage länger bleiben. (Pause) Ich müßte nur ein Fernsehspiel absagen! ADAM packt den Inhalt der Plastiktüten aus: Gemüse, Fleisch, Salat, Butter, Milch, Öl. EVA kommt in die Küche und begrüßt ADAM ebenfalls mit einem Kuß. EVA: Du warst schon Einkaufen! ADAM: Zum Abschied koche ich heute. EVA: Was gibt es? ADAM: Nudelauflauf. LULU: Das kannst du wirklich gut. Den hast du schon zu meiner Zeit gemacht.

105.
THOMAS versucht seine Schlange, die er im Keller in einem alten Aquarium untergebracht hat, mit Heuschrecken zu füttern. MARIA: Schlangen fressen keine Heuschrecken. THOMAS: Was denn? MARIA: Mäuse. THOMAS: Ich habe keine Mäuse. MARIA: Wir können versuchen, welche zu fangen. Auf der Wiese gibts genug Mauselöcher. Wir nehmen eine Gießkanne und schütten Wasser rein, bis die Maus rauskommt und dann fangen wir sie. Willst du?

106.
EVA, LULU und MARION decken den Frühstückstisch im Wohnzimmer. MARION ist ganz sentimental gestimmt: Unser letztes gemeinsames Frühstück. Wenn ich daran denke, daß ich nach dem Frühstück wieder zurückfahre, werde ich ganz traurig. EVA: Du darfst nicht nach dem Frühstück fahren. Du mußt wenigstens bis zum Mittagessen bleiben. Adam würde dir das nie verzeihen. LULU: Geht dein Auto wieder? MARION: Ich habe es gerade aus der Werkstatt geholt. EVA umarmt MARION und sagt: Ich habe dich fast ein bißchen lieb gewonnen. Irgendwie sind wir uns alle ein bißchen ähnlich.

107.
MARIA gießt mit der Gießkanne Wasser in ein Mauseloch auf der Wiese. THOMAS beobachtet wie ein Luchs die Mauselöcher in der näheren Umgebung, bereit mit einem Hechtsprung jede auftauchende Maus zu fangen. Aber es kommt nirgendwo eine Maus heraus. Vom Haus her hören sie EVA rufen: THOMAS! Maria! Frühstück!

108.
Auf der Wiese unten am See bauen zwei Arbeiter das Zelt ab.

109.
Im Wohnzimmer am Eßtisch sind jetzt alle beim Frühstück versammelt. Alle hängen ihren Gedanken nach. THOMAS: Papa kannst du uns helfen, Mäuse zu fangen? ADAM: Wozu braucht ihr Mäuse? THOMAS: Für unsere Ringelnatter. Wir wollen sie nach Berlin mitnehmen. ADAM: Ich muß das Mittagessen vorbereiten. BILLY: Ich könnte euch helfen. THOMAS: Das ist geil! Du kriegst bestimmt eine!

110.
ADAM brät das Hackfleisch in der Pfanne an.

111.
ADAM holt aus seinem Garten frischen Kopfsalat, Tomaten, Rukola und eine Knoblauchzwiebel.

112.
BILLY, THOMAS, PAUL und MARIA versuchen die Mäuse jetzt mit dem Wasserschlauch aus ihren Mauselöchern hervorzuholen. Sie überfluten die halbe Wiese.

113.
Das Mittagessen. Allen schmeckt ADAMS Auflauf vorzüglich. Deshalb sagt keiner etwas. Auch die Kinder essen mit großem Appetit. BILLY klopft an sein Weinglas und steht auf. Ich möchte mich im Namen meiner Familie - aber ich glaube, ich darf für alle Anwesenden sprechen - bei dir Eva und bei dir Adam für diese lange Gastfreundschaft bedanken. Ich muß euch gestehen, ich war am Anfang skeptisch und wollte nicht kommen. Aber jetzt, heute, bereue ich es nicht, gekommen zu sein. Es waren schöne und wertvolle Tage. Ich glaube fast, wir alle sind so etwas wie eine große Familie geworden. (BILLY erntet zustimmendes Lächeln von seinen Zuhörern) Und darauf möchte ich jetzt mit euch allen anstoßen. BILLY hebt sein Glas Rotwein. BILLY: Auf euer Wohl!

114.
LULU und LILITH und MARION machen den Abwasch.

115.
EVA und KATHARINA gehen am Seeufer spazieren. KATHARINA: Ich bin sicher, ich kriege Billy dazu herum. EVA: Wir Frauen wissen doch, wie man sowas macht.

116.
ADAM sitzt mit BILLY in einer Ecke des Wohnzimmers. Sie trinken ihren Mouton Rothschild. Sie reden nicht, sondern haben beide nur einen entrückten Blick.

117.
ADAM und BILLY stehen auf dem Bootssteg am See. Sie rauchen beide eine Zigarette. Sie schweigen. BILLY unterbricht das Schweigen. BILLY: Papa. Ich möchte wiederkommen. BILLY läuft eine Träne über das Gesicht. Er versucht, sie vor ADAM zu verbergen. ADAM (nach einer Weile): Da ist doch klar. Du kannst immer kommen.

118.
Vor dem Haus steht, auf der Auffahrt, stehen 7 Autos. ADAM steht bei EVAs Wagen. ADAM: Willst du die Schlange nicht lieber hier lassen. THOMAS: Nein, die muß mit. Tschüß, Papa. ADAM: Kommt gut nach Hause.

119.
ADAM holt aus seiner Jacke die CD von “Paradiso” und gibt sie BILLY. ADAM: Das beste, was ich bis jetzt gemacht habe. Ich würde mich freuen, wenn du dir’s mal anhörst. BILLY: Danke. Ein kurzer Händedruck. BILLY startet den VW-Bus.

120.
Die Kolonne setzt sich langsam in Bewegung. BERENICE fährt mit in LULUS rotem Porsche. Sie kurbelt, als sie an ADAM vorbeifährt, das Fenster herunter. BERENICE: Ich werde mir auch eine email-Adresse zulegen. Die Kolonne fährt die Auffahrt herunter und dann ein Stückchen am Seeufer entlang. Dann sind sie verschwunden.

121.
ADAM bleibt alleine zurück und geht ins Haus.

EPILOG - DREI WOCHEN SPÄTER

122.
Es ist Abend. ADAM legt in seinem kleine Gemüse- und Kräutergarten ein neues Beet an. Er hört im Haus das Telefon klingeln. Er legt den Rechen beiseite, klopft sich die Erde von den Händen und geht zum Haus.

123.
ADAM hebt ab. ADAM: Adam Bergschmidt. EVA: Ich habe solche Sehnsucht nach dir. Ich möchte noch ein Kind. Ich habe heute meinen Eisprung und will zu dir kommen. Nur für eine halbe Stunde? ADAM schüttelt fassungslos den Kopf. ADAM: Du bist verrückt! Du willst vierhundert Kilometer fahren, bloß um mit mir Sex zu haben! EVA: Du bist also einverstanden? ADAM: Okay, dann komm. Was ist mit den Kindern? EVA: Lulu ist bei ihnen. Sie hat sich von ihrem Freund getrennt und ist bei mir eingezogen. Bis sie eine neue Wohnung gefunden hat. Ich habe ihr gesagt, daß ich heute abend ein wichtiges Gespräch mit einer Kundin außerhalb von Berlin habe.

124.
ADAM bezieht sein Bett mit frischer Bettwäsche.

125.
ADAM steht unter der Dusche und wäscht sich die Haare.

126.
Es ist dunkel geworden. LULUS roter Porsche fährt die Auffahrt hoch. EVA steigt aus und geht ins Haus.

127.
ADAM kommt ihr im Bademantel entgegen. ADAM: Bist du geflogen. EVA: Lulu hat mir ihren Porsche geliehen. ADAM: Willst du gleich ins Bett? EVA: Ja. ADAM: Dann komm!
128.
Im Schlafzimmer. ADAM: Zieh dich aus! ADAM legt den Bademantel ab und geht ins Bett. EVA zieht sich aus und legt sich zu ihm. Sie umarmen sich lange.

Abblende und Schlußtitel.

IM ADAM:
Wir haben ein Mädchen gekriegt und es Sarah genannt. Eva will, daß Lulu Patin wird.

THE END

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