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64 Die Versöhnung    66 Stella    67 Galaxis    67/68 Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt

80 Hast Du Lust mit mir einen Kaffee zu trinken?      84 Zwei Bilder

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68 Detektive    69 Rote Sonne      70 Supergirl      72 Fremde Stadt      74 Made in Germany and USA
75 Tagebuch  77/78 Beschreibung einer Insel  80 Berlin Chamissoplatz  82/83 System ohne Schatten
86 Tarot    87 Das Mikroskop     88 Der Philosoph    89 Sieben Frauen    91 Liebe auf den ersten Blick
92 Die Sonnengöttin    94 Das Geheimnis    97 Just Married    97 Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan
99 Paradiso, sieben Tage mit sieben Frauen       00 Venus talking        02 Rot und Blau
03 Frau fährt, Mann schläft      05 Du hast gesagt, daß Du mich liebst      05 Rauchzeichen
06 Das Sichtbare und das Unsichtbare      08 Pink    10 Das rote Zimmer     11 Ins Blaue




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Die Idee

Die Idee ist entstanden auf Ureparapara ("Beschreibung einer Insel"). Dort war der Ausgangspunkt die Inselsituation, und wir versuchten, einen beschränkten Bezirk, ein genau festgelegtes Gebiet, irgendwie zu beschreiben.
Ich bin - nach Ureparapara - hierher an den Chamissoplatz gezogen und hatte Lust, hier in Berlin auch so ein Gebiet zu beschreiben. Während ich am Drehbuch saß, merkte ich, daß ich für die Beschreibung so eines Sanierungsgebiets, für so etwas Allgemeines, eigentlich gar keine Lust habe. Daß meine Lust eher dahingeht, Leute zu zeigen und vor allen Dingen auch einen kurzern Film zu machen.

Die Liebesgeschichte

Alles lief also darauf hinaus, daß ein Mann und eine Frau drin sein würden. Ich hab noch nie eine richtige Liebesgeschichte gemacht (in den früheren Filmen waren die von vornherein gebrochen) und also wollte ich das wirklich mal tun.
Kurz vor dem Schreiben des Drehbuchs habe ich im Arsenal "Viaggio in Italia" gesehen, von Rossellini ("Reise nach Italien"). Das ist ein absolut wahnsinniger Film. Das war kein großes Kino, keine große Kino-Idee. Die fahren zu ihrem Haus in Neapel, gehen zu Freunden, essen irgendwo, unternehmen dieses und jenes. Es gibt so ein paar kleine Episödchen - er schaut nach anderen Frauen, sie blickt anderen männern etwas tiefer in die Augen - aber es war nichts, ein Nichts an Geschichte. Das hat mich ungheuer beeindruckt, und ich hatte das Gefühl, ich würde gerne eine Liebesgeschichte machen in einer ganz präzisen Umgebung, in einer ganz präzisen Situation, wo aber letztenendes nichts anderes wichtig ist als die Liebesgeschichte.
Es war für mich von Anfang an klar, daß die beiden zwei verschiedenen Generationen angehören würden - da ist bei mir natürlich eigene Erfahrung dabei. Es ist sehr reizvoll, als Vierzigjähriger mit einer Zwanzigjährigen zu tun zu haben, es ist aber vor allem auch schwierig - da sind ganz andere Erfahrungen und Vorstellungen.
Und wenn der Film weitergehen würde? - Ich weiß schon, warum ich da aufgehört habe.

Die Herausforderung

"BERLIN CHAMISSOPLATZ" ist in gewisser Hinsicht mein privatester und dann auch wieder mein unpersönlichster Film. Das hängt mit den Darstellern zusammen - Sabine Bach und Hanns Zischler. Zischler ist als Person so präsent geworden, hat sich selbst so sehr da hineingegeben, daß es dann nicht mehr nur um mich ging. Nachdem er das erste Drehbuch mit Anmerkungen wie "hahaha - blablabla" versehen hatte, schrieb ich eine neue Fassung, in die ich seine Kritik mit aufgenommen habe. Das hat ihm dann gefallen, und das hat auch funktioniert - wir hatten Spaß zusammen. Es war für uns beide eine Hersausforderung, miteinander zu arbeiten - auch später dann beim Drehen - wo jeder bereit war, alles zu geben. und das Schöne war, daß es mit Sabine Bach auch so funktioniert hat.
Vom Drehbuch her hatten wir die Anna ja sehr stark aufgebaut, mehr schon als Traumfrau, gar keine "wirkliche". Wir hatten so im Kopf, das könnte eine Hawks-Frau sein. Die Frauen bei Hawks sind ja immer sehr stark, die wissen immer genau, was sie tun, die sind eigentlich immer besser als die Männer.

Das Buch

Während des Drehens hat sich das Buch nicht wesentlich verändert. Die Sachen, die da im Drehbuch standen, "wirklich" zu machen, herauszuholen, was die einzelnen Szenen bedeuten, war so anstrengend, daß gar keine Möglichkeit war, irgendetwas zu improvisieren. Außerdem haben wir gemerkt, daß beim Drehen dessen, was da so trocken auf dem Papier stand, doch sehr viel Richtiges und Durchdachtes drin war, was wir vorher beim Schreiben gar nicht so gesehen hatten. Zischler hatte das Gefühl, daß da etwas anderes passiert ist als je in einem Film, bei dem er mitgemacht hat.

Liebe so in einem modernen Film - ein Wahnsinn!

Meine absolute Lieblingsszene ist, wo der Zischler am Flügel sitzt und singt. Und da wiederum das Mittelstück, wo er von einem Lied zum anderen wechselt und wo die Kamera dann auf ihr ist. Das ist so unheimlich viel, was da passiert, daß ich sage, allein wegen dieser Szene ist es ein guter Film für mich. Ich wußte natürlich, daß es ein Wahnsinn ist, in einem modernen Film, mit coolen Leuten, wenn der Mann sich da an den Flügel setzt und der Frau ein Liebeslied singt. Das hat mit meiner Kinoerfahrung aus der Kindheit zu tun, als ich so mit zehn, fünfzehn Jahren ins Kino ging und diese deutschen Schlagerfilme sah - die hab ich natürlich alle gesehen - da dachte ich mir immer, wie wird dicfh je eine Frau lieben können - du kannst doch nicht singen, du mußt doch singen können in der entscheidenden Phase.
Bei der Diskussion über die erste Fassung des Drehbuchs hab ich Zischler gefragt, was er so alles kann - er könne Klavier spielen, meinte er. Dann habe ich in der zweiten Fassung drei Zeilen geschrieben: dann setzt er sich ans Klavier uns spielt und singt dazu. Beim Drehen haben wir die ganze Szene zuerst auf ihn und dann die ganz Szene auf sie gedreht. Er saß also da am Flügel und spielte, und ich stand neben ihm, und wir haben die Sabine hypnotisiert regelrecht. Ich fühlte mich nach der Szene wie ein Waschlappen und er auch. Wir hatten alle Kraft gebraucht, um auf sie einen Eindruck zu machen. Und zwar vereint. Und das hat die Sabine wirklich umgeworfen.
Meine zweitliebste Szene ist die im Kino, wo sie weint und er schläft. Sie sieht die Szene von "Céline und Julie fahren Boot", wo Juliet Berto die Arme ausbreitet und ruft: Oh le soleil! Dieselbe Bewegung hat die Sabine vorher spontan gemacht, als sie zum Wannsee gehen. Es ist ein Film, den vor allem Frauen mögen - deshalb. Außerdem mochte ich auch gerne Rivette zitieren, weil der mit seinem "Out One" für mich nach Godard der entscheidende Kick war.
Und dann die Szene in der Nationalgalerie, wie sie da so ganz gelassen vor dem Andy Warhol stehen und der mit den Rollschuhen immer so dazwischen herumsaust, und wie sie dann rauskommen, ja das ist wunderschön - da ist nichts, da ist halt die Bewegung. und wie sie ihn küßt, danach am Auto - es ist der schönste Kuß (sie küssen sich ja sehr oft), sie küßt ihn und guckt ihn die ganze Zeit an - man sieht ihre Augen, die langsam schielen, wie sie ihm näherkommt.
Und dann am Meer, wo er sie wachküßt und sagt: Guten Morgen, meine Geliebt. Das ist ja auch ein Satz, den man heute nicht mehr so einfach sagen kann. Und die können das. Stark!

Die Musik

Die Musik hat sehr viel verändert. Szenen, die ich nicht mochte - mit Musik plötzlich mag ich die. Film-Musik hat mich bislang immer frustriert - am Schneidetisch zu sitzen und den Leuten zu sagen, hier möchte ich dies, hier möchte ich jenes. Ich kann mich dazu auch nicht richtig ausdrücken, weil ich von Musik zu wenig verstehe. Die Gruppe (damals hießen die noch "Osmundi") allerdings wollte ich schon vor sieben Jahren haben zu "MADE IN GERMANY UND USA", nur konnte ich mir damals das Studio nicht leisten. Jetzt habe ich ihnen also das vorgeschlagen, zum Film zu improvisieren, und sie waren begeistert, es war eine Herausforderung. Sie hatten den Film vier Tage vor der Musikaufnahme gesehen und konnten sich Gedanken machen, haben aber dann dazu improvisiert - auf eine Art wie beim Drehen eigentlich. Beim Drehen ist ja vorher auch nichts da und hinterher ist dann was da. Es war ähnlich aufregend und ähnlich schwierig.
Der Tonmeister vom Studio ist ausgeflippt und fand's grauslig, und ich wußte nicht mehr, ob ich das machen kann oder nicht, ob das funktionieren würde, diese Art von Musik. Als wir's dann abends am Schneidetisch zusammen sahen, merkten wir, daß es funktioniert - es ist natürlich kühn, aber es stimmt.
Am zweiten Tag der Aufnahme waren wir dann etwas entspannter.. Dann kam aber nochmal das Problem bei der Mischung, als der Tonmeister sagte: Das geht nicht, ich kann das nicht mischen. Und er sagte, sein fünfzehnjähriger Sohn, der sehr offen sei, wäre nach dem fünften Akt rausgelaufen. Da hatte ich dann panische Angst. Und die vier Leute, die den Film bis dahin gesehen hatten - ohne Musik - hatten mir glaubhaft versichert, da sei schon ein gewisser Erfolg abzusehen. Da dachte ich mir natürlich, alles, was schon gewonnen schien, geht wieder verloren. Und dann geht's darum, daß man die Nerven behält und die richtigeEntscheidung auf der Stelle trifft. Und dann haben wir alle uns das Ganze mit der Mischung nochmal angesehen und hinterher gesagt: puh, das ist es.

Abenteuer

Der Film war ein Abenteuer - wir haben ihn zu einem gemacht. Wir hätten den leichteren Weg gehen können, kein Risiko eingehen. Einen Film so abgesichert zu drehen, würde mich wohl langweilen. Das hängt auch damit zusammen, daß ich - und das wird man bei diesem Film auch sehen - daß ich überhaupt keine Perfektion anstrebe. Was nützt mir Perfektion, wenn der Film nicht stimmt, nicht lebt? Die kleinen Fehler können wir verschmerzen, es gibt fast keine schlechten Schnitte.

Martin Schäfer

Warum Martin Schäfer an der Kamera? Ich habe mit Martin schon sehr viel gearbeitet. Bei Martin wußte ich einfach, daß es gehen wird. Und daß wir uns über Grundprinzipien nicht streiten müssen. Und das war dann auch so. Martin hat mich oft zwingen müssen, mal durch die Kamera zu schauen. Wenn ich durchgeschaut habe, war's eh so wie ich dachte.

…und das Licht

Das Licht war eine neue errungenschaft. Das wußte ich nicht, daß Martin so ein Licht machen würde. Das hat er wohl auch noch nie so gemacht. Und was mich bei seinem Licht so fasziniert, ist, daß er mit einem irrsinnigen Aufwand - wir hatten ja auch alle Möglichkeiten - mit einem irrsinnigen Lichtaufwand den Eindruck vermittelt, es sei gar kein Licht da.

Wollen wir ins Wasser gehen

Die Badeszenen. Wenn die beiden im Wannsee baden gehen, ist da nicht so eine Sehnsucht dabei. Das ist eher ein Ausdruck von etwas, das sie hatten - sie hatten ja vorher, was sie wollten. Aber im Meer ist da eine Sehnsucht von etwas, das sie anscheinend nicht gekriegt haben. Ich sehe ja die Italienreise nicht als Glücksfahrt an, sondern als Versuch, das wovon sie träumen auch wirklich zu kriegen. Also ein Versuch nochmal, den Traum zu realisieren. Genauso wie er da an die Hauswand sprüht "Ich liebe dich" - das ist auch etwas Verzweifeltes, denn ein Architekt in seiner Position und mit seiner Art, der leistet sich das nicht einfach jeden Tag.

Die Italienreise ist für mich eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft der beiden. Ein Film über den Versuch, aus der Scheiße rauszukommen. Er ist optimistisch, weil man nur die Aktionen sieht, den Anlauf. Weil das Ende nicht gezeigt wird. Ich hoffe ja, ich habe mir diese Sinngeschichten, wo jede Szene auch gleich einen Sinn vermitteln soll, völlig versagt. Ich wäre sehr unglücklich, wenn eine Szene so eindeutig zu verstehen wäre. Was passiert, sind immer ganz konkrete Sachen.

Weitere Pläne

Nach vier Filmen mit Drehbuch und drei Filmen ohne Drehbuch mache ich jetzt weiter Filme mit Drehbuch, weil ich gemerkt habe, daß es angenehmer zu arbeiten ist und daß es mir Spaß macht - aber mit der Erfahrung von drei Filmen ohne Drehbuch. Ich habe nicht den Frust, daß ich klage und jammere, ich muß jetzt für diese blöden Gremien Drehbücher schreiben, im Grunde brauche man das ja gar nicht, und ich müßte mich da anstrengen, was Literarisches zu produzieren. Ich schreib das Drehbuch für mich. Und für die Leute, die mit mir arbeiten - es vereinfacht die Zusammenarbeit.

Und während des Drehens hatten sowohl der Zischler als auch die Sabine und auch ich das Bedürfnis, wir müßten auf jeden Fall nochmal zusammen einen Film machen. Und bei Zischler und mir war's so, daß wir also sehr große Lust haben, eine Komödie zu machen. Ich hab ja noch nie eine richtige Komödie gemacht - einen Film, der darauf angelegt ist, die Leute zum Lachen zu bringen.

(Interviewtext aus dem Presseheft des Prokino Filmverleihs von 1980)