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Interview DER PHILOSOPH (mit Alfred Schantz)

Ein Mann, der bislang allein gelebt hat, trifft auf drei Frauen, die untereinander völlig einig erscheinen. Sie ziehen ihn in ihre Wohngemeinschaft hinein und legen ihm eine neue Lebenshaltung nahe. Eine Liebe zu viert zeichnet sich ab. Der Film hört auf, als der Mann seine Unsicherheit verliert und bleibt. Dieses Sujet wäre leicht als Aufhänger für ein hedonistisches oder frivoles Spiel zu verwenden. Aber dein Film hat in meinen Augen keine Spur von Frivolität. Ich führe das hauptsächlich auf deine Haltung und Sichtweise zurück.Für mich hast du den Blick eines Ethnographen aus Liebe. Wenn ich diesem Blick folge, entdecke ich in den Schauspielern, die deine Filmfiguren spielen deren einmalige Eigenart und gleichzeitig ihre Gattungsgebundenheit. In ihrem subjektiven Empfinden scheint etwas Allgemeines auf, das ihnen gar nicht gehört, ihnen aber die Kontur verleiht. Trotz dieser „Fremdbestimmtheit“ beharrt dein Blick auf dem individuellen Detail. Es gibt in deinem Film eine Spannung zwischen theoretischer Konstellation – nämlich die Liebe zu viert – und der geduldigen Dokumentation alltäglicher Abläufe.

Ich habe 1968 in einem Interview mit der Zeitschrift „Filmkritik“ gesagt, ich mache Dokumentarfilme über Schauspieler, die Szenen aus einem Drehbuch von Max Zihlmann spielen. Wenn du jetzt vom ethnographischen Blick und geduldiger Dokumentation sprichst, dann meinst du ja wohl das Gleiche. Das „dokumentarische“ in meinen Filmen ist der innerste Kern meiner Arbeitsweise. Die Geschichte, ob das nun ein Drehbuch oder ein Treatment (wie beim „MIKROSKOP“ und bei „DER PHILOSOPH“) ist, ob das von mir oder von anderen Autoren geschrieben ist, ist immer nur eine Art Vorlage, etwas Sekundäres. Ich bemühe mich nicht darum, sie in eine Filmsprache umzusetzen. Den Umgang mit der Geschichte überlasse ich den Personen, deren Beruf das ist, den Schauspielern. In dem Augenblick, in dem das geschieht, entsteht etwas ganz Neues, für mich absolut Aufregendes – es sieht genauso aus wie die Wirklichkeit und genau genommen (und ich nehme es genau) ist es sogar die Wirklichkeit. Die Schauspieler erleben diese Arbeit, je nachdem, was sie erwarten, aals ungeheure Freiheit oder sie fühlen sich allein gelassen. Was mich an Filmen interessiert, ist ihr Wirklichkeitsgehalt. Die, die viel davon haben, mag ich, die anderen, die mehr daran interessiert sind, kunstvoll zu sein, mag ich nicht.
Ich habe gesagt, ich benutze das Drehbuch als Vorlage. Ich arbeite ein bißchen so wie Kinder, die durchsichtiges Papier über ein Bild legen und dann das Bild mehr oder weniger frei nachzeichnen. Da ich mich jedoch ganz und gar auf die neue Zeichnung konzentriere und sehr frei mit der Vorlage umgehe, entsteht etwas Neues. Die Widerstände bei der Arbeit, die Stimmungen der Schauspieler, auch ihre kleinen Unvollkommenheiten, werden für mich wichtig. Das, was bei diesem Arbeitsprozeß entsteht, ist genauso vielschichtig und widersprüchlich wie das wirkliche Leben. Meine Filme sind nicht mit der Voraussetzung gedreht, daß ich über das Leben bescheid weiß. Deshalb gibt es in ihnen auch viele unaufgelöste Reste. Einzelheiten, die nicht in das Ganze integriert sind.

Der Mann in dieser Viererkonstellation heißt Georg Hermes, und die Frauen – so sagt Franziska – seien „Zeitagenten“, vielleicht Göttinnen, die Hermes eine Falle gestellt haben – vielleicht, um einen der ihren zu finden. Oder direkter formuliert: dieser Mann begegnet drei Frauen, die von sich behaupten, sie seien Göttinnen. Ich sehe nicht, daß du ihnen widersprichst. Welche Rolle spielen Mythologien in deiner Alltagsgeschichte?

Ich habe zwischen dem Schreiben und dem Drehen von „DAS MIKROSKOP“ einen Monat lang „Kunst und Mythos“ von Georg Picht gelesen wie einen Krimi. Dieses Buch hat mich tief beeindruckt. Ich könnte sagen, „DER PHILOSOPH“ sei eine Verfilmung dieses Buchs. Was natürlich nicht stimmt, aber trotzdem auch wahr ist. Picht, der sich sein ganzes Leben lang mit der griechischen Philosophie, mit den Ursprüngen des abendländischen Denkens auseinandergesetzt hat, macht darin klar, wie sehr alles, was damals geschah, noch heute unsere Welt und vor allem unser Weltbild bestimmt. Er sagt, daß zwischen Platon und Aristoteles etwas schief gelaufen ist, worüber wir heute 2500 Jahre später nachdenken müssen, um unsere Welt wieder in Ordnung zu bringen. Er sagt, daß es heute in unserer abendländischen Welt keinen Gott mehr gibt. Er versucht die griechische Götterwelt zu verstehen und stellt Zusammenhänge mit unserer heutigen Welt dar. „DER PHILOSOPH“, dessen Ausgangsposition es ist, daß da einem Mann drei Göttinnen begegnen, versucht das, was ich fühle und das, was ich da beim Lesen gefunden habe, ernst zu nehmen. Es könnte doch wirklich Göttinnen und Götter geben. Und wir wissen nichts mehr davon. Aber wie sieht ein Gott oder eine Göttin aus, wenn es das gibt? Ich spiele mit dieser Annahme. Aber wie jedes richtige Spiel, ist alles auch tödlicher Ernst. Ich werde im nächsten Jahr fünfzig Jahre alt und ich weiß, daß ich irgendwann sterben werde. Da steht alles dann plötzlich ganz nackt vor einem da. Da spielt man nicht mehr. Oder wenn doch, dann mit dem angemessenen Ernst. Damit habe ich deine Frage nach einer möglichen Frivolität beantwortet.

Eines meiner Stichwörter für Fragen an dich heißt „Grenzüberschreitung“. Georg Hermes überschreitet eine Grenze, wenn er eine ganze Abhandlung den zwei Worten des Heraklit „Alles fließt“ widmet. Er tut es subjektiv wie objektiv auch, wenn er nach seiner Mutter nunmehr eine neue Frau liebt. Und er tut es natürlich, wenn auch zaudernd, sobald er die Möglichkeit erkennt mehr als eine Frau gleichzeitig zu lieben. Er wie die Frauen überschreiten eine Grenze, wenn sie versuchen, sich aus der Zeit herauszunehmen. Wenn sie sagen, daß sie „Zeitagenten“ seien. Sie sagen, sie seien unsterblich, aber doch geboren und vergänglich.

Wenn Franziska Georg sagt, daß sie und ihre „Freundinnen“ Zeitagentinnen seien, dann sagt sie das mit einem Zögern. Sie versucht sich auf sein Denken (das unser Denken ist) einzulassen. Was sie sagt, ist eine Umschreibung, ein Versuch, sich ihm verständlich zu machen. Wenn du alle diese Sätze, die gesagt werden, zusammenstellst und dann versuchst, daraus ein Fazit zu ziehen, dann geht das nicht auf. Da sind Widersprüche. Wenn wir Christen daran gewöhnt wären, unsere Religion ernst zu nehmen – was Rossellini in seinem „Il Messia“ getan hat – dann hätten wir auch solche Probleme. Jesus ist der Sohn Gottes, aber er ist auch ein Mensch! Wie geht das zusammen. Er ist gleichzeitig Gott und Mensch.
Wenn du so willst, ist „DER PHILOSOPH“ ein tief religiöser Film. Ich versuche darin, das zu denken, was in Griechenland vor 2500 Jahren gedacht, erlebt und gelebt wurde.

Noch einmal zurück zur „Frivolität“. Es gibt eine Frivolität bei deinen Figuren. Sie ist sehr sacht, und du thematisierst sie, ohne ihr selbst zu verfallen. (Es sei denn, ich habe recht, wenn ich sage, jede Dokumentation sei frivol.) Eine der drei Frauen, nämlich Beate, hat einen Zug zur Frivolität, weil sie Georgs Naivität erst nicht erkennt (erster Auftritt im Laden) und schließlich nutzt, um sich ihm anzunähern. Sie will ihn verführen, aber wichtiger noch: sie schenkt ihm einen Computer und will ihm beim Schreiben zusehen. Er sagt: „Ich kann nur arbeiten, wenn ich allein bin.“ Als er die Flucht wagt und in der Stadt unterwegs ist, beobachtet er einen Mann, der Trompete spielt. Er fragt, als dieser unterbricht: „Störe ich?“ Die Antwort ist: „WennS´Sie mich so direkt ansprechen, ja.“ Dies ist eine der wenigen Stellen im Film, wo du eine Szene „vorzeitig“ beendest.

Wenn ich einen Film mache, dann weiß ich natürlich, was das Publikum erwartet und spiele mit diesen Erwartungen. Das ist doch das Geringste, was man von einem Regisseur erwarten kann, er muß doch wissen, was er tut und auf irgendeine Weise damit umgehen. Beate ist nicht frivol. Sie ist eine Göttin. Ich weiß nicht, ob du Homer gelesen hast – ich hab’s nicht (meine Schauspieler haben mir beim Drehen von den Parallelitäten zur „Ilias“ erzählt). Das, was ich von griechischen Göttern und Göttinnen weiß, ist alles sehr widersprüchlich. Die waren genauso wie wir. Die haben gekämpft und waren eifersüchtig bis zum Geht-nicht-mehr. Beate fällt da überhaupt nicht aus der Rolle.

Der Mann mit der Trompete wird gespielt von Marquard Bohm. Er spielte in früheren Jahren die Hauptrolle in deinem Film „ROTE SONNE“. Gibt es ein Beziehungsgeflecht zwischen deinen Filmen, eine Beziehung zwischen „ROTE SONNE“ und „DER PHILOSOPH“?

Natürlich gibt es Beziehungen zwischen „ROTE SONNE“ und „DER PHILOSOPH“. Nur sind inzwischen fast zwanzig Jahre vergangen. Die Welt hat sich verändert, und ich kann heute nicht einfach so tun, als wäre da nichts gewesen. Ich beziehe mich auf diesen Film, weil ich ihn gemacht habe und weil er existiert. Aber es gibt kein Rezept, wie man von „ROTE SONNE“ zu „DER PHILOSOPH“ kpmmen kann. Marquard Bohm, der Hauptdarsteller von „ROTE SONNE“, der hier eine kleine Rolle spielt, ist wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, wie der Bewohner eines anderen Planeten.

Ich habe oft erlebt, daß jemand, der einen deiner Filme gesehen hatte, sagte: „Mich stören die Klischees.“ Damit war meist etwas gemeint, was ich als Milieugerechtigkeit empfinde. Also: man lebt in einem Loft, liest „Die Zeit“ oder die „Frankfurter Rundschau“, kauft einen Mouton-Rothschild eines bestimmten Jahrgangs, bevorzugt ganz bestimmte Blumenarrangements usw. Der Wiedererkennungseffekt reicht bis zur Peinlichkeit oder zur Ablehnung „solcher Leute“. Was hat Dokumentation oder Ethnographie bei dir mit Mode zu tun? Verstehst du dich als Sittenschilderer?

Was ist das Milieu von Göttinnen? Die Wahl der Orte, der Umgebungen ist für mich immer sehr wichtig. Ich überlege mir das genau. Ich hätte sie in einer großen Charlottenburger Wohnung wohnen lassen können (so wie die Frauen in „ROTE SONNE“) oder in einer Grunewaldvilla. Ihrer sozialen Position nach – sie sind schließlich die Eigentümer eines eleganten Herrenausstattungsgeschäfts am Kudamm – wäre das angemessen. Ich wollte sie in einer Zwischenwelt ansiedeln, an einem Ort, der sich nicht so genau in das gesellschaftliche Klassensystem einordnen läßt: das war für mich eine Fabriketage. Ich habe sie nie von außen gezeigt. Das wäre mir zu extrem gewesen. Das ganze Gebäude sah sehr heruntergekommen aus. Es war vollgemalt mit Parolen und Bildern. Was die Zeitungen angeht, aus denen da vorgelesen wird. Da sind doch fast alle vertreten: von der „Süddeutschen Zeitung“ bis zur „TAZ“. Mich wundert, daß du mich nicht nach den Schlagzeilen fragst, die in der Frühstücksszene von Beate vorgelesen werden. Ich hole mit ihnen Wirklichkeit, Außenwelt in den Film. Ich konfrontiere meine Geschichte mit ihr. Die Tatsache, daß Georg etwas Kaffee verschüttet, als Franziska ihren Bademantel anzieht, ist für die beteilgten Personen wichtiger als alles, wovon die Schlagzeilen der Zeitungen handeln. Daß das hier so direkt sichtbar wird, ist für mich ein Schock. Aber genau so funktioniert diese Welt. Überall sind die Menschen mit ihren jeweiligen Privatangelegenheiten beschäftigt.

Es gibt in deinem Film eine Form der Ironie, die „heimlich“ entsteht. Sie wirkt bei flüchtigem Hinsehen ungewollt. Sie entsteht, glaube ich, durch genauen Blick. Damit meine ich, daß jeder Zuschauer sehen kann, wie es den Schauspielern oder den ausgedachten Figuren nicht ganz gelingt „wahr“ zu erscheinen. Hat eine Göttin einen Leberfleck im Mundwinkel? Oder fehlt diesen „Göttinnen“ nicht jene Herrschaftlichkeit, die wirkliche Überlegenheit ausdrückt, sind sie nicht selbst nur Naive?

In allen meinen Filmen gibt es Ironie. Das ist eine Einstellung (ich meine beide Bedeutungen dieses Begriffs), von der aus ich erzähle. Das ist immer eine Art von liebevoller Distanz. Ich identifiziere mich mit den Personen, ich verliebe mich in die Darsteller bei der Arbeit und bleibe gleichzeitig ein sachlicher Beobachter, einer der die kleinste Kleinigkeit registriert.
Woher weißt du, daß Göttinnen keine Leberflecke haben? Die Perfektionsvorstellung bei einer Göttin ist ein Klischee. Diese drei Frauen sind beides, Göttinnen und Menschen. Sie sind sterblich und unsterblich. Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, dann stimmt nichts mehr. Da ist ein Widerspruch, der sich nicht auflösen läßt. Unsere Logik funktioniert hier nicht mehr. Der Leberfleck einer Göttin ist angesichts dieser grundsätzlichen Paradoxien ein vergleichsweise geringes Problem.

Es gibt Gegensatzpaare in deinem Film. So etwa Leben (Frauen) und Tod (Männer). Oder Feuer und Wasser. Aber die Zuordnungen sind zweifelhaft. Trotzdem haben sie die Tiefe (die historische Unüberblickbarkeit) der Mythologie. Das in „unvordenklichen“ Zeiten Geschehene wiederholt sich und sagt, wir sind immer noch Kinder der Elemente. Aber welchem Element gehören wir an? Willst du uns an die Elemente erinnern?

Das Wasser spielt in allen meinen Filmen eine Hauptrolle.  Denke an das Haus am Fluß in „TAROT“, an die Auarien in „DAS MIKROSKOP“. Franziska wohnt in einer Fabriketage an der Spree. Der Mouton-Rothschild, den Georg zum erstenmal in seinem Leben trinkt, erinnert ihn an eine ganze Flußlandschaft. Und er vergleicht den Wein mit Franziskas Blut, wenn er sagt: „Wenn ich ein Vampyr wäre, und ihr Blut trinken würde …“ Georgs Lieblingsplatz ist ein Bootssteg am Wannsee. Sein erstes Rendezvous mit Franziska findet auf dem Wasser statt. Da gibt es doch schon sehr klare Zuordnungen. Franziska gehört zum Wasser. Aber Georg auch. Etwas, was zu Franziska gehört, ist auch in ihm. Vielleicht ist auch er ein Gott? Aber zu Georg gehört auch das Feuer. Das fängt schon in der ersten Szene an, wenn er das Gas anzündet, um Wasser zu kochen. Aber diese Zuordnungen sind versteckt, sind integriert in die Handlung, ich spiele mit ihnen, manchmal sogar ironisiere ich sie.

Eine Liebe zu viert, der Film als Entwurf – nicht zuenede geführt, weil das Leben weitergeht und die neue Situation Neues an die Oberfläche tragen wird … Ich frage mich, ob dein Film „jugendfrei“ sein sollte oder für Erwachsene verboten. Könnte dein Film nicht auf taube Ohren und blinde Augen stoßen, weil niemand den wahren Grund seiner Beziehungen, Attraktionen oder Ablehnungen kennen will?

Was mit dem Film passiert, hängt zu einem großen Maße von der Kritik ab. Das ist nun einmal so bei einem Low-Budget-Film, wo es keine Namen gibt und kein Geld, um für den Film Werbung zu machen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Film auf Gleichgültigkeit stößt. Ich habe nach der allerersten Vorführung Leute getroffen, die sehr erregt waren über den Film. Ein Filmkritiker hat mir gestern gesagt, der Kinomißerfolg von „MIKROSKOP“ sei eine Niederlage der deutschen Kritik, die den Film ja sehr freundlich beurteilt hat, gewesen.

Ein Ethnologe schaut genau und zeichnet geduldig auf. Er wird vermeiden, das Beobachtete zu dramatisieren oder auch nur zu beschleunigen. Verlangst du nicht von deinen Zuschauern, daß sie selbst Ethnologen seien?

Ich kann nicht, weil Hollywood in den letzten beiden Jahrzehnten einen Filmstil entwickelt hat, der auf der ganzen Welt erfolgreich ist, auch noch versuchen, diesen Stil, der mir ganz und gar gegen den Strich geht, zu kopieren. Ich kann diese Zerstückelung der Wirklichkeit, diesen gewalttätigen, respektlosen Umgang mit ihr, nicht leiden. Ich fühle mich als Zuschauer von diesen Filmen vergewaltigt. Wenn ich im Kino sitze, möchte ich die Freiheit haben, das, was ich sehe, so zu interpretieren, wie ich es will, und nicht durch die Machart meine Gefühle und Gedanken (falls ein solcher Film Denken überhaupt zuläßt) aufgezwungen bekommen. Ich denke, auch diese Krankheit, von der das Kino auf der ganzen Welt befallen ist, wird im Laufe der Zeit vorüber gehen. Wenn die Erneuerung nicht von den nationalen Kinos der restlichen Welt ausgeht, wird sie in Hollywood selbst entstehen – früher oder später.

In der letzten Szene deines Films (beim Picknick am Wannsee stattfindend bei Sonnen untergang) änderst du zwar nicht deine Haltung, aber die Methode des Filmschnitts. Kurze Zeit wird er suggestiv und rasch endet er wiederum in einer Totalen, die du abblendest ins Weiß.
Sagst du damit: ich hätte euch verführen können, aber lieber erinnere ich euch an Fragen? Warum vermeidest du diese Form der kinematographischen Suggestion?

Warum diese Szene, die meine Lieblingsszene von Anfang an war und die mir auch die Wichtigste des Films ist, so aussieht, hängt mehr mit den Schwierigkeiten ihrer Enstehung zusammen. Aber ich habe nichts gegen deine Interpretation.
Wenn diese drei Frauen Göttinnen sind und der Mann, der mit ihnen tanzt, ein Bote der Götter, dann muß jeder Zuschauer anfangen, sein Bild von Göttern neu zu denken. Diese vier tanzen wie Kinder am Wasser vor der untergehenden Sonne. Ihr Tanz ist Ausdruck ihrer neu gefundenen Gemeinsamkeit, ihrer Freunde darüber, aber auch Ritual, Extase und – es gibt einen Moment, wo sie alle mit dem Rücken zum Zuschauer aufs Wasser schauen (in diesem Augenblick kommt die Aufblende ins Weiß) – ich möchte sagen, auch Gebet.

Wie wird dein nächstes Projekt heißen? Kannst du dazu schon etwas sagen. Nach „DAS MIKROSKOP“ und nach „DER PHILOSOPH“ wartet eine Film-Trilogie auf ihren Abschluß. Du hast diese Trilogie „Formen der Liebe“ genannt. Ist dieser Über-Titel nicht etwas willkürlich?

Der nächste Film heißt „SIEBEN FRAUEN“. Mit ihm wird klar werden, was das insgeheime Zentrum der Trilogie ist. Sie heißt zwar „Formen der Liebe“, aber es geht immer um den Tod, um Sterblichkeit und Unsterblichkeit, also darum, Zeit zu begreifen.